Diese Website verwendet Cookies, um Dienste bereitzustellen, Anzeigen zu personalisieren und Zugriffe zu analysieren. Informationen werden an Google weitergegeben.
Durch die Nutzung der Website erklären Sie sich mit Googles Weltherrschaftsbestrebungen einverstanden.

Montag, 2. Juli 2012

before I fall / before I die









before I fall, by Lauren Oliver
(HarperCollins, 2010)

“Was wenn du nur einen zu Tag zu Leben hättest? Was würdest du tun? Wen würdest du Küssen? Wie weit würdest du gehen um dein Leben zu retten?“

 Die Mischung aus klassischem High School Drama und „Replay“-mäßiger (Ken Grimwood, 1990)  Zeitschleife welche before I fall inhaltlich verspricht hat mich spontan angesprochen. Ich hatte Replay gerade erst im Jahr zuvor gelesen und war, trotz seiner etwas trockenen und wiederholenden Art, begeistert von der Geschichte.
Entsprechend hoch waren meine Erwartungen an before I fall.
Zu hoch befürchte ich.

Kurzinhalt:
 Sam, Samantha, Kingston führt das perfekte Leben. Sie gehört zu den beliebten Mädchen an der Thomas Jefferson High, jenen die dort praktisch Regieren und immer die erste und beste Wahl von allem haben, und ihr Freund ist einer der begehrtesten Jungs an der Schule.
Sam hat eine strahlende Zukunft vor sich – oder hätte; Freitag abends, auf dem Heimweg von einer Party werden sie und ihre Freundinnen in einen Autounfall verwickelt bei dem Sam ums Leben kommt.
Doch am nächsten Morgen erwacht sie in ihrem Bett als wäre am Tag zuvor nichts geschehen – tatsächlich ist es wieder der Tag zuvor, es ist wieder Freitag morgen und alles beginnt von vorne...
  
 Sieben Freitage stehen Sam, und dem Leser, nun bevor in denen sich immer wieder dasselbe geschehen wiederholt, nur verändert durch Sam’s handeln. Das before I fall es nicht in meine Lieblingsliste schafft, noch nicht einmal in meine gefall Liste, ist wohl nicht Schuld der Autorin – eine menge Leute haben immerhin die Geschichte mit Begeisterung gelesen und auch mich haben die ersten hundert Seiten des Buches durchaus in ihren Bann gezogen, denn Lauren Oliver kann schreiben, das kann man ihr nicht absprechen. In den ansprechenderen Teilen des Buches entwirft sie ein ehrliches, bisweilen humorvolles Bild vom Teenagerleben. Doch im größeren Teil kommt ihrem Anliegen einen spannende Geschichte zu Erzählen ihr Anliegen eine wichtige Geschichte zu Schaffen in die Quere.
Oliver geht zu Sendungsbewusst, und zu beladen mit amerikanischer Moralethik, an ihre Erzählung heran. So müssen wir uns über hundert Seiten lang immer wieder anhören das Sam an diesem Abend ihre Unschuld verlieren sollte, an ihren Freund Fred, welcher sich als egoistisches Ekelpaket präsentiert; man sieht hier sofort den gesellschaftlichen Jungfräulichkeitskult zelebriert, und schließlich versteigt sich der Roman parallel dazu immer weiter in eine Schuld und Sühne Thematik die von Religiös-Ethischen Anklängen nur so strotzt. Was schade ist, denn die damit überlagerte Geschichte, die uns die Beiläufigkeit jugendlicher Grausamkeit vor Augen führt und sich der Problematik des dazugehören müssen annimmt, ist im Grunde Lesenwert.

 Nicht minder problematisch ist das Lauren ihren durchaus richtigen und realistischen Lebensbetrachtungen Hauptcharaktere entgegenstellt die in ihrer bösartig um sich selbst kreisenden Art geradezu Schablonenhaft wirken. Sam und ihre Freundinnen sind keine liebenswerten Gestalten, man kann sich sogar eines Gefühls hämischer Freude nicht erwehren wenn sie um das Leben kommen; was mir das Lesen weiter zum Verdruss machte, denn wenn man an einem Punkt ankommt an dem das einzige das einen an einer Geschichte noch freut der Tot einer Gruppe junger Mädchen ist, dann läuft da was schief. Vor allem Sam, mit der ich anfänglich noch Mitleid hatte weil sie sich lieber dem Gruppendruck beugt und sich einredet mit ihrem Freund glücklich zu sein, weil dem so zu sein hat, und beschlossen hat mit ihm zu Schlafen, weil dem so zu sein hat, wird einem in immer größerem Maße unsympathisch mit ihrem auf Eltern und Mitschüler gerichteten Zorn, der im Grunde ihrer Frustration darüber entspringt das sie unfähig ist sich gegen das Diktat ihrer „Freundinnen“ zu stellen. Das Lauren, in Gestalt ihrer Erzählerin Sam, uns dann noch ständig dazu anhält über unser eigenes Verhalten zu reflektieren, uns fragt „Seid ihr wirklich so viel anders?“ vergällt einem vollends den Lesespaß.
  
Fazit:
„Wir sind beliebt weil wir mit allem davon kommen, und wir kommen mit allem davon weil wir beliebt sind.“
 Diese von Sam über sich und ihren Freundeszirkel, die den anderen, den unbeliebten, die Schule zur Hölle machen, getroffene Feststellung ist die Summierung von (Schul-)Politik in einer Nussschale, Macht schafft Recht. Sam fährt fort ihr Verhalten, und das der anderen, von dem sie weis das es Unrecht ist, damit zu rechtfertigen das dies eben der Lauf der Welt ist, Gesellschaftlicher Usus wie sie ihn in ihrer Kinderzeit selbst erleben musste bevor sie zu den „Beliebten“ aufstieg. Schule ist dazu da einen auf das Leben vorzubereiten, wer oben ist Tritt und wer unten ist wird getreten. So wird Gewalt ganz beiläufig zur Selbstverständlichkeit.
Schade, wenn Oliver es geschafft hätte ihre Botschaften immer so kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen wie im oberen Satz, dann wäre aus „bevor I fall“ tatsächlich ein großartiger, Potentiell bedeutender, Debütroman geworden.

 Wer sich an den stark religiösen Anklängen, gesellschaftlichem Konservatismus und sehr amerikanischem Moralgebaren, welche immer wieder die Geschichte überlagern nicht stört, der wird trotzdem Spaß haben an diesem Roman, und bekommt einen sehr realistisch anmutenden Blick auf die amerikanische Gesellschaft und ihre Darwinistisch-Kapitalistische Lebensausrichtung serviert. Denn wenn ihr Sendungsbewusstsein ihr nicht in die Quere kommt ist Lauren Oliver eine durchaus unterhaltsame Erzählerin, die sich eines flotten, eingängigen Schreibstils bedient. Nur ein weiteres sollte sie noch unterlassen, in erster Person Gegenwartsform zu schreiben, auch wenn sich dieser Stil gerade bei den neueren Jugendromanen sehr großer Beliebtheit erfreut.









before I die, by Jenny Downham
(Black Swan, 2008; Erstauflage 2007 bei David Fickling Books)


 Nicht nur der Titel diese Romans bietet sich geradezu an für einen Vergleich mit „before I fall“, auch dieses Debüt macht eine zornige, anfangs wenig sympathische Jugendliche zur Hauptperson und erzählt deren Geschichte in der ersten Person in Gegenwartsform.
Aber wo Lauren Oliver über all die kleinen Fallstricke dieser Form stolpert, setzt Jenny Downham sie so virtuos um das sich ihre Stilwahl niemals aufdringlich, von der eigentlichen Geschichte ablenkend, ausnimmt.
Ihre Erzählweise ist so ehrlich, realistisch und vor allem hautnah, das sich die Verwendung der Gegenwartsform hier einfach anbietet.

Kurzinhalt:
 Die sechzehnjährige Tessa weis das sie sterben wird. Nicht dieses vage „wir all sterben einmal“, Tessa leidet an Leukämie und hat nur noch wenige Monate zu Leben. Doch sie ist nicht bereit abzutreten ehe sie die Chance hatte wirklich zu Leben. Also macht sie ihre Liste der Dinge die sie tun will eher der letzte Vorhang fällt und nimmt ihrer Freundin Zoey das Versprechen ab sie anzutreiben, sollte sie der Mut verlassen.

 Der erste Punkt auf Tessa’s Liste ist Sex, nicht sich verlieben, einfach nur Sex haben.
Bereits hier zeigt sich der Unterschied zwischen Jenny Downham’s und Lauren Oliver’s Charakteren. Tessa macht kein großes aufheben um die Dinge, sie beschließt etwas und setz es um. Tessa ist eine aktive, kämpferische Person, die nur vor einem wirklich Zögert, die Liebe zu zulassen. Jenny ist auch nicht darauf aus uns in Gestalt Tessa’s eine Botschaft aufs Auge zu drücken, oder wenn doch dann lautet die wohl das es sehr viel einfacher und bequemer ist zornig auf die Welt und die Menschen zu sein, denn ihnen zu gestatten einen zu Lieben.
Das bekommt auch Tessa’s Vater immer wieder zu Spüren.
Denn wie Sam ist auch Tessa ein angry grrl, das mit der Welt, den Menschen und eben auch immer wieder mit ihrer Freundin und ihrer Familie uneins ist. Nur hat Tessa guten Grund zornig zu sein, den Tod vor Augen in einem Alter in dem andere sich gerade unsterblich fühlen. Tessa’s Zorn, ihr glaube alles müsste sich um sie drehen, ihr Gefühl das die Welt ihr etwas schuldig ist, das ist zwar nicht immer gerechtfertigt aber eben sehr Verständlich. Dabei hat Jenny Downham es geschafft einen im Kern lebensbejahenden Roman zu Schreiben ohne das Leben großartig zu Romantisieren. Sie thematisiert Gelegenheitssex ebenso nüchtern wie Drogenkonsum, oder eben das Sterben.
Das Leben präsentiert sich nicht sonderlich Großartig in Jenny’s Roman, und es sind am Ende nur die Menschen, welche Tessa mühsam wieder lernen muss an sich heran zu lassen, die es besonders machen. Gerade das gibt dem Roman Substanz, anders als in Lauren Oliver’s Roman wo sich das Leben der Charakteren nur um sinnentlehrte Inhalte wie Klamotten, Make-up und Beliebtheit dreht, wo das wer mit wem und wer träg was zum ultimativen Lebensinhalt erhoben wird, und sich Menschliche Beziehungen nur danach orientieren welche Vorteile sie einem bieten. (Das liegt natürlich auch einfach am Zeitbogen, Oliver konzetriert sich auf einen einzigen Tag im Leben von Sam, Downham’s Geschichte hingegen umspannt mehrere Monate) .
Und wo Oliver’s erhobener Zeigefinger ständig präsent ist, und moralischen Verfall anklagt, da gibt sich Jenny Downham ganz britisch entspannt und präsentiert uns reale Menschen mit realen Sorgen und vielen Fehlern, ohne diese groß zu bewerten.

 Zugegeben, wie auch before I fall klingt before I die oberflächlich betrachtet nicht sonderlich originell, es erinnert gerade zum Ende hin zunehmend an Isabell Coixet’s Film Mein Leben ohne mich und man kann ohne große Anstrengung Sarah Polley’s Stimme in Tessa’s Erzählung hören, aber Jenny schafft lebendige, eigenständige Charaktere die sich mühelos über vorgezeichnete Klischees erheben und die es wert sind sich auf sie einzulassen.
Auch wenn man Gefahr läuft sich dann zum Ende des Buches die Augen aus dem Kopf geheult zu haben.

 Übrigens eine weitere fast Gemeinsamkeit der Bücher ist die das before I die verfilmt wurde, unter dem Titel now is good, von Ol Parker dem Drehbuchautor und Regisseur von Eine Hochzeit zu dritt, und before I fall zumindest Gerüchteweise für eine Verfilmung vorgesehen ist, Regie führen soll laut MTV Gina Prince-Blythewood, welche bereits Die Bienenhüterin verfilmte (an dem ebenfalls Dakota Fanning beteiligt war, welche in now is good die Rolle der Tessa spielt, die Filmindustrie ist ein Dorf).

 before I die wurde in Hinblick auf den kommenden Film (Release: September 2012) unter dem Titel now is good mit einem erbärmlichen Teen Romance Cover welches uns die Frage „Wer sind diese Menschen auf dem cover?“ aufdrängt neu veröffentlicht.
Nein ehrlich, diese beiden auf Hochglanz gestylten Gestalten haben so rein gar nichts mit Jenny’s working class Charakteren gemein. Na ja, der Film ist hoffentlich trotzdem sehenswert – so ganz falsch kann man es bei einer solch starken Vorlage ja wohl nicht machen.

Und before I fall, könnte ich mir vorstellen, wird für mich als Film, sollte er den je realisiert werden, besser funktionieren denn es der Roman tat.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen