50 Schlüsselideen Literatur, John Sutherland
(
Spektrum Verlag, 2014)
Pop-Sachbuch auf Niveau der Time-Life Publikationen.
Klappentext:
Die Literatur hat ein Problem - sie erscheint trügerisch einfach und zugleich entmutigend kompliziert. Wir wiegen uns gerne in der Gewissheit, dass wir einen Roman lesen können und wissen, was "Genre", "Stil" und "Erzählung" bedeuten. Doch durchschauen wir diese Begriffe wirklich? Können sie dazu beitragen, unsere Freude an einem Buch zu vertiefen? Wie sollen wir uns den Werken großer Schriftsteller wie William Shakespeare, T. S. Eliot, Charles Dickens und Jane Austen nähern? Welchen Nutzen können wir aus augenscheinlich schwierigen Konzepten wie "Hermeneutik", "Allusion" und "Bricolage" ziehen?
50 Schlüsselideen Literatur ist eine grundlegende Einführung in alle wichtigen Formen, Begriffe, Themen und Strömungen der Literatur. Das Buch bietet einen klaren, pointierten und umfassenden Überblick über Theorien, die sich mit dem Wesen von Sprache und Bedeutung auseinandersetzen, und skizziert die Gedanken hinter zentralen literarischen Begriffen wie Postmoderne, Semiologie, Postkolonialismus und Strukturalismus.
Der erfolgreiche Autor und Literaturkritiker John Sutherland stellt Literaturkonzepte und -theorien auf frische und zugleich anspruchsvolle Weise vor - von scheinbar vertrautem Terrain bis hin zu unbekannten Gefilden. Randvoll mit klugen Einblicken und Zitaten aus klassischen wie aus populären Werken, zieht dieses Buch alle in seinen Bann, die jemals fragend vor dem Fachjargon der Literaturkritik standen und die das Lesen und Schreiben auf eine tiefere und bewusstere Weise genießen möchten.
Große Versprechen die einem da gemacht werden.
Leider hat es Sutherland, für mich, nicht geschafft diese einzulösen. Zu umfangreich ist die Thematik, zu gering der gewährte Raum für Erläuterung und dazu noch fehlt es dem Autoren an Prägnanz, so das selbst an Stellen, an denen mehr möglich gewesen wäre, man am Ende von ihm nur wenig brauchbare Information geliefert bekommt.
Die Kritikpunkte im Einzelnen.
Zu wenig Raum:
50 Schlüsselideen auf 200 Seiten, das bedeutet nominal vier Seiten je Terminus. Real werden aber nur etwa drei genutzt, der Rest geht an großzügige Textaufteilung, großformatige Zitate, eine Zeitleiste und einen Anekdotenkasten. Die Zitate wirken dabei oft etwas willkürlich gewählt; die Zeitleiste wiederholt Eckdaten des Textes; der Anekdotenkasten ist nur wechselhaft informativ.
Das Problem um den wenigen Raum wird vom Autor noch verschärft da er trotzdem so quasi eine Quadratur des Kreises versucht, in dem er sowohl Entstehungsgeschichte wie auch Bedeutung einzelner Termini zu erläutern sucht, beziehungsweise sich der Thematik auch zu Umständlich und/oder zu Flapsig annähert, beziehungsweise sich auch schon mal ganz unsachlichem Geschwafel hin gibt.
Fehlende Prägnanz:
Mit Passagen wie dieser
Zum Milieu passen zwei weitere französischstämmige Wörter - Clique oder auch Coterie. Letzteres bedeutet wörtlich "sich gegenseitig befruchtende kreative Gemeinschaft".
Verspielt sich Sutherland in der ersten Hälfte des Buches seine Glaubwürdigkeit, er Verscherzt sie sich wörtlich, denn natürlich heißt Coterie nichts dergleichen; es lässt sich als Leser aber kaum ableiten ob bei diesem fast schon Inzucht Vorwurf* an Künstlergemeinschaften nur wieder der ironisierende Witz des Autors mit ihm durchgegangen ist, oder ob er wirklich nicht weiß was Coterie wörtlich heißt, bzw. nicht Willens oder in der Lage ist zwischen Sinngemäß und Wörtlich zu unterscheiden.
Zum Begriff Ironie sagt Sutherland
Die schlichteste Definition von Ironie lautet, dass sie etwas sagt und damit etwas anderes meint.
Stimmt schon, dies mag wirklich die schlichteste Definition sein.
Die treffendere wäre aber, wie später im Text auch herausgearbeitet, das Ironie "das andere" meint, oder genauer noch das Gegenteilige sagt.
Diese Ungenauigkeit im Text und dieses den Leser nicht wirklich ernst nehmen kulminiert schließlich im Kapitel "Maßstäbe der Literaturkritik", in dem, nach einer kurzen Einführung in den Booker Preis, drei Seiten lang nichts von Bedeutung gesagt wird und der Autor sich statt dessen darauf Beschränkt eine Gruppe von Internet Proleten zu Zitieren die ihrem Unmut über die Preisträger Luft machen und deren Werke, vereinfacht ausgedrückt, "nicht das Papier Wert auf dem sie gedruckt wurden" nennt.
Danach geht es dann zwar eine Zeitlang aufwärts, aber zum Beispiel der Versuch Sutherlands den Begriff
New Historicism zu erklären verzettelt sich so sehr in einem historischen Überblick zum Begriff, was irgendwie wieder ironisch ist, und bleibt ansonsten so vage, das man am Ende des Textes ungefähr genauso schlau ist wie zuvor.
Als weiteres Manko der Aufbau:
Im Kapitel "Klassiker" heißt es paraphrasiert (und gestützt mit einem stark Rassistisch anmutenden Zitat, das er an mehreren Stellen einbaut) das "Klassiker" nur kultureller Imperialismus sind. Dies wird mehrere Kapitel später ausführlicher begründet wenn ein Blick auf die grundlegenden ökonomischen Strukturen geworfen wird, welche Literatur zum entstehen benötigt. Zu dem kommt dann natürlich das Imperium welches seine Kultur gegen andere behaupten oder ihnen gar aufzwingen kann um eben "Klassiker" zu erschaffen.
Zum angemerkten Zitat gilt zu sagen das ich es am interessantesten fand was Sutherland hier zwischen den Zeilen über die Ahnherren seines Berufsstandes sagt, nämlich das sie elitäre, extrem nationalistische Denker waren, welche nicht selten zum Rassismus neigten.
Mein ganz persönlicher Aufreger:
Letztlich mein Vertrauen verspielt, und meine Zorn auf sich gezogen hat Sutherland dann mit folgendem Absatz
Eine verräterische Verlagslektorin, die über die (in ihren Augen existierende) Frauenfeindlichkeit des Romans empört war, spielte Druckfahnen anderen Feministinnen zu.
An diesem Satz ist viel auszusetzen, zuvorderst aber stört mich Sutherlands arrogante Überheblichkeit, die er durch seinen Klammersatz noch unterstreicht, mit der er Verächtlich auf diese Verlagslektorin und ihre feministischen Unterstützerinnen herabblickt. Von jemandem der sich als
Sachbuchautor darstellt sollte man etwas mehr
Sachlichkeit erwarten dürfen.
Was die Frauenfeindlichkeit im Text des in Frage stehenden Werkes (und welche Sutherland ihm implizit abspricht) angeht, so habe ich noch niemanden getroffen der das Buch gelesen hätte, und danach noch hätte ernsthaft sagen können diese existiere nicht.
Mein Fazit:
Sutherland macht nicht alles falsch, weiß gar mit manch erhellendem Kommentar, und gelegentlichem Witz zu Punkten, lässt es aber als Sachbuchautor zu sehr an Disziplin und Sachlichkeit vermissen, als dass ich persönlich das Buch weiterempfehlen wollte.
Zum Aufbau des Buches muss ich sagen das eine besser geordnete Struktur hier geholfen hätte ein informativeres Werk zu schaffen, einige der Erläuterung hätten zur besseren Klarheit zusammengefasst werden können um somit eine konzentriertere Analyse auf mehr Raum zu ermöglichen, andere als Überflüssig auch ganz gestrichen.
Eines aber möchte ich lobend hervorheben, das Covermotiv ist perfekt gewählt.
Hätte es Sutherland geschafft mit ähnlicher Prägnanz zu Schreiben, wie hier der angestrebte Inhalt des Buches dargestellt wird, es wäre ein literarisches Juwel geworden.
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Coterie bezeichnet sinngemäß übersetzt eine geschlossene Gruppe, wörtlich heißt es in etwa Bewohner oder Wohngemeinschaft.