Die Landkarte der Liebe, von Lucy Clarke
(Piper, 2012)
Angenehmes Debüt, einer Autorin die noch auf der Suche nach ihrem eigenen Stil ist.
Kurzinhalt:
Mitten in der Nacht erreicht Katie die Nachricht vom Tod ihrer Schwester, sie sei in Bali von einer Klippe gestürzt, so sagt man ihr, und die Behörden vermuten einen Selbstmord. Katie vermag der Idee das ihre Schwester Selbstmord beging keinen Glauben schenken, doch sie muss sich zugestehen das sie, obwohl sie gemeinsam wohnten, ihre Schwester kaum noch kannte. Sie macht sich Vorwürfe da das Verhältnis zwischen ihnen zuletzt sehr angespannt war, ihr letztes Telefonat gar im Streit endete, und erkennt das sie keine Ruhe finden wird ehe sie sich nicht Klarheit verschafft hat über die letzten Monate im Leben ihrer Schwester. So beschließt sie dieselbe Reise anzutreten, den Spuren ihrer Schwester zu folgen so wie sie von ihr niedergelegt wurden in ihrem Tagebuch.
In alternierenden Kapiteln erzählt die Autorin nun von Katies Reise auf den Spuren ihrer Schwester, immer der Frage nachjagend ob ihre Schwester wirklich gesprungen ist, wie Zeugen ausgesagt haben, und wenn ja was sie dazu trieb, und von Mias Reise um die Welt, bis hin zu ihrem tragischen Ende. Für beide wird diese Reise zur Sinnsuche.
Aller Dramatik zum Trotz muss gesagt sein, das dies kein Roman ist der mit großen dramatischen Enthüllungen oder überraschenden Wendungen daherkommt, man bekommt bereits in den ersten Kapiteln eine ganz gute Idee davon wohin die Reise führen wird. Der Charme des Romans entfaltet sich auch nicht in seinem Wechsel exotischer Orte, sondern ganz und gar in der sich schnell einstellenden Vertrautheit mit den Charakteren. Die Konstellation der unterschiedlichen Schwestern, Katie, als die ordnungsliebende, auf Nummer sicher spielende, die ihre Umwelt wann immer möglich in ihr Leben mit einbezieht, und die lebenshungrige, draufgängerische Mia, die Nähe sucht aber niemanden an sich heranlassen will, nutzt die Autorin um nach und nach das Bild von zwei Personen zu zeichnen die in ihren Fehlern zu menschlich sind um sie ganz zu mögen aber in ihrem Handeln immer so nachvollziehbar bleiben das man sich ihnen nie entfremdet fühlt.
Obgleich es im Kern die Geschichte zweier Schwestern ist die sich auseinandergelebt haben, will ich dem Roman nicht den Stempel „Frauenroman“ aufdrücken, zumindest bis auf einen Ausreißer bei dem sich dem (männlichen) Leser die Kausalität eines Satzes nicht erschloss:
"Sie hatte blassblaue Augen, benutzte aber keine Wimperntusche."Ich wage einfach mal vorauszusetzen dass das Eine da mit dem Anderen üblicherweise Hand in Hand gehen soll.
Natürlich geht es bei einem Debütroman nicht ohne ein gelegentliches Stolpern: die Autorin schafft es nicht immer sich gängigen Klischees zu entziehen, und manche Dialoge kommen etwas hölzern daher, wenn z.B. im Rückblick auf die gemeinsame Vergangenheit, Mias Freund, Finn, von der Zeit spricht „als wir sechzehn Jahre alt waren,“ dann erscheint es mir als wurde natürlicher Sprachfluss einer geregelten Grammatik untergeordnet.
Aber das sind Kleinigkeiten die den Fluss der Geschichte nie stören, und man ist sehr schnell den Charakteren verfallen, auch durch Passagen hindurch in denen man sie so gar nicht mag, so das man das Buch nur ungern aus der Hand legt und wieder ins eigene Leben zurückkehrt.
In der zweiten Hälfte verliert die Geschichte dann ein wenig und man nimmt gewisse Eigenheiten stärker war, zum Beispiel den sehr direkten, manchmal geradezu telegrammartig anmutenden Stil, und die schnellen Wechsel zwischen Personen und Orten, quasi übergangslose Sprünge in Raum und Zeit die einem schon mal eine Atempause abringen, man wünscht man sich dann doch gelegentlich ein bisschen mehr Detail und ein wenig mehr Ruhe. Diese Sprünge vollziehen sich innerhalb der Kapitel, wenn zum Beispiel Katie die Englische Botschaft verlässt und zu ihrem Hotelzimmer umgeblendet wird, und erst eine viertel bis halbe Seite später eingeflochten wird das dazwischen eine Woche vergangen ist, dann ist das ein Moment an dem man beim Lesen kurz stoppen, in Gedanken zurückspulen und die mentale Zeitleiste ein Stück vorrücken muss; was dann doch den Lesefluss gelegentlich unterbricht. Aber dafür hat die Autorin lobenswerterweise nicht die moderne Unart übernommen jedes Kapitel in einem Kliffhänger zu enden um den Leser zum weiterlesen zu zwingen, so das man glaubt man befände sich mitten in einem TV-Drama. Sie vertraut in dieser Beziehung, zu recht, auf die Stärke ihrer Erzählung. Die Schwäche der In-Kapitel Übergänge ist auch nicht einem fehlenden verständnis für Bildsprache geschuldet, den die Autorin versteht sehr wohl wie einzelne Sätze aufeinander aufbauen:
"Weiter oben am Strand hatte Mia einen glatten weißen Stein, so groß wie eine Muschel, aufgehoben und mit sich vereinbart, wenn er sechs Mal springen würde, würde sie zu ihrer Mutter gehen. Sie hatte ausgeholt - der Stein war wie ein munterer Fisch über das Wasser gehüpft, sauber, entschieden und sechs Mal. Sie hatte sich daraufhin in Richtung Auto aufgemacht und war auf halber Strecke stehen geblieben. Die Beine hatten ihr den Dienst verweigert. Und so hatte sie sich wieder gebückt und einen neuen Stein im Sand gesucht. Dieser müsste sieben Mal hüpfen, damit sie ... dann acht ... neun Mal ...Es wäre nur nett gewesen hätte die Autorin die zweite Hälfte genutzt um mehr auf die einzelnen Personen einzugehen, denen doch immer ein wenig tiefe fehlt, da zwar vieles gesagt aber nur wenig gezeigt wird, und uns vielleicht etwas mehr „sehen“ zu lassen von der exotischen Kulisse.
Irgendwann hatte das Handy ein letztes Mal geklingelt. Katie hatte mit gebrochener Stimme die Nachricht auf die Mailbox gesprochen, dass ihre Mutter tot sei.
Mia hatte ihr Handy ins Meer geschleudert. Es hatte einen Satz gemacht und ging dann unter."
Es ist eben gerade diese atemlose Hetzen von einem Ereignis zum nächsten, das paradoxerweise die Geschichte später ein wenig bremst.
Nun, was gibt es von meiner Seite tatsächlich zu bemängeln:
Obwohl zwischen der Reise von Mia und der von Katie nur ein halbes Jahr liegt, tragen in der erste Hälfte Mias Kapitel den Zusatz „Ein Jahr zuvor“ (danach geht der Wechsel von erster Jahreshälfte zu zweiter Jahreshälfte) und nicht wie es richtig heißen müsste „Im Jahr zuvor“. Eine mir nicht nachvollziehbare Eigenheit die meinen Zeitsinn gestört hat.
*Leseexemplar zur Verfügung gestellt von Piper durch Vorablesen*
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