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Sonntag, 20. September 2015

Round up the usual suspects





 Round up the usual suspects /
 Verhaften sie die üblichen Verdächtigen, Aljean Harmetz
(Weidenfeld & Nicholson, 1992 / Berlin Verlag, 2001)
  
A good book is worth repeating

Klappentext:
 Gegen Ende des Jahres 1941 kaufte der Produzent Hal Wallis für 20.000 Dollar die Filmrechte an einem Theaterstück mit dem Titel "Everybody comes to Rick's".
Niemand erwartete, das dessen Verfilmung mehr als eines der üblichen Melodramen über den Zweiten Weltkrieg werden würde. Doch keine drei Jahre später gewann Casablanca die Oscars für den besten Film, den besten Regisseur und das beste Drehbuch und wurde schließlich zu einem der beliebtesten Filme aller Zeiten.
Was machte Casablanca zu einer solchen Ausnahmeerscheinung?

 Mit Verhaften sie die üblichen Verdächtigen liefert Aljean Harmetz die Inside-Story der Entstehung von Casablanca. Sie hat in Archiven von Warner Bros. recherchiert, zahllose Interviews geführt, darunter mit Paul Henreid, Lauren Bacall, und den Drehbuchautoren Howard Koch und Julius Epstein, und nicht zuletzt schriftliche Zeugnisse von Beteiligten ausgewertet. Ihr Blick hinter die Kulissen fördert überraschende Details zu Tage. Anschaulich zeichnet sie die Persönlichkeiten und Eigenheiten des damaligen Studiosystems: Jack warners Reivalität mit seinem Topproduzenten Hal Wallis, die Distanz zwischen Bogart und Bergman, die Wutausbrüche des Regisseurs Michael Curtiz, die Freundschaft zwischen bogart und Rains und nicht zuletzt das Problem mehrerer Drehbuchfassungen.
Wie Hollywood selbst vom Krieg betroffen war und sich mit ihm auseinandersetzte, wie die Zensur und das Office of War Information versuchten, Einfluss auf die Filminhalte zu nehmen - dies und etliche andereAspekte prägten den Hintergrund auch und gerade von Casablanca.

 Reich bebildert, spannend wie ein Roman, immer amüsant und unterhaltend, voller ungewöhnlicher Informationen, ist dieses Buch eine großartige Darstellung der Umstände und der Menschen, die da zusammenkamen und die - wegen oder trotz des Studiosystems - ein Meisterwerk schufen.



 Round up the usual suspects ist zumeist Kenntnisreich geschrieben, jongliert dabei munter mit Fakten, Mythen und Anekdoten und lässt sich zum leichten Verdruss dieses Lesers auch schon mal zu wilder Spekulation hinreisen:
Surely Bogart was not as much of a knight-errant as he seems in Lauren Bacall's autobiography, and he may have had a few quick romances.
War Bacall als Bogey's Ehefrau, die bis zuletzt zu ihm gehalten halt, befangen in ihrer Betrachtung seines Charakters?
Sicher, doch Harmetz mit ihrer Unterstellung ist es kaum weniger.
Natürlich liegt der Verdacht nahe das wenn Bogey Bacall davor warnt sich am Set auf schnelle Romanzen einzulassen weil sie es nicht wert sind, wie er sagt, er aus eigener Erfahrung spricht. Doch wir können dies nicht wissen, Harmetz führt keinerlei Aussagen an die Bacalls Beschreibung widersprechen, im Gegenteil, sie weist selbst darauf hin das Bogey aus einer Zeit und einer Schicht stammt, aufgrund derer er sich verpflichtet fühlte die Frauen mit denen er schlief auch zu Ehelichen.

 Man muss darauf hinweisen das entgegen des The making of im Titel  man sehr wenig über die tatsächlichen Arbeiten am Film erfährt. Wohl widmet sich die Autorin ausgiebig dem Ringen zwischen den Epstein Brothers auf der einen Seite, dem Script mehr Humor zu verleihen
 "I am shocked, shocked to find that gambling is going on in here!"
und Howard Kochs bestreben den Film mit politischen Botschaften voll zustopfen
"I bet they're a sleep in New York. I bet they're asleep all over America."
 Und weiß auch sonst so manches von Interesse im Bezug auf die Handlung einzuflechten, wie zum Beispiel die Tatsache dass das für den Film gewählte Lied "Die Wacht am Rhein" den Nazis gar nicht so beliebt war.

 Eine meiner Lieblingspassagen im Buch wirft als kurzes Streiflicht im Zuge der Betrachtung zur Bedeutung von Warners Studiomentalität ein faszienierendes What-If auf:
 It is possible that one of the seven other major studios might have bought and made a movie from Everybody comes to Rick's, an unproduced play about a cynical American who owns a bar in Casablanca. (One producer at M-G-M, Sam Marx, did want to buy the play for $5.000, but his boss didn't think it was worth the money.) It wouldn't have been the same movie, not only because it would have starred Gary Cooper at Paramount, Clark Gable at M-G-M, or Tyrone Power at Fox but because another studio's style would have been more languid, less sardonic, or opulently Technicolored.


 Doch tatsächlich nimmt sie Casablanca oft nur zum Anlass sich einer Betrachtung des politischen Klimas und der Filmwirtschaft jener Tage zu widmen. Casablanca fungiert an solcher Stelle nur als Fokuspunkt von dem aus sie daran geht Biographie und Karriere der beteiligten zu beleuchten und in einen Kontext zum Zeitgeschehen zu setzen.
Daher wohl der Titelzusatz "Bogart, Bergman, & World War II".

 In einzelnen Kapiteln die sich nicht Chronologisch aneinander reihen, betrachtet Harmetz die Umstände die am Ende zum Phänomen Casablanca führen sollten, durch diesen Aufbau kommt es im Text immer mal wieder zu Wiederholungen und mal erfahren wir vom Abschluss der Dreharbeiten und dann sind wir wieder mitten im Prozess der Entwicklung des Scripts. Harmetz springt in der Zeitskala vor und zurück, verlässt dabei Casablanca auch schon mal ganz um sich nur den Warners zu widmen oder ein besonderes Augenmerk auf Jack Warners patriotische Haltung zu werfen.

 Gelegentlich meldet sich die Autorin mit eigenen Betrachtungen zu Wort, denen man nicht immer zustimmen muss, siehe oben, zur möglichen Bedeutung der Beziehung der Charaktere untereinander und der berühmten Abschiedsszene zwischen Rick und Ilsa äußert die Autorin selbst jedoch keine Gedanken, zitiert hier lieber allerlei verquaste aber zumindest witzig zu lesende Theorien von Psychologen und Soziologen. Da ist von homosexuellen Anspielungen zwischen Renault und Rick die Rede, oder von ödipalen Konflikten in denen Ilsa zur Mutterfigur und Ricks Verlangen inzestuöser Natur wird, und die Nazis treten an die symbolische Stelle von Freuds kastrierendem Vater.
Dabei scheint es mir für Ricks Charakter, mehr aber für den (männlichen) Geist jener Tage so viel Bezeichnender das der Film ihm am Ende ein
"Louis, I think this is the beginning of a beautiful friendship."
anhängt, wohlwissend das Captain Renault* ein feiger, opportunistischer Vergewaltiger ist der sein Amt und die Notlage der Flüchtlinge in Casablanca ausnutzt um Frauen zu missbrauchen.
Eine Tatsache die aber auch Harmetz bezeichnenderweise weitgehend unausgesprochen lässt.

 Persönlich kann ich auch über Passagen wie die im Buch zitierte Theorie das Rick Ilsa wegschickt um sich an ihr für Paris zu Rächen, eine offensichtlich narzisstisch männliche Interpretation bei der aus dem entsprechenden Kritiker das eigene verletzte Ego spricht, nur lächeln.
Wenn Rick am Ende zu Ilsa sagt
"We'll always have Paris. We didn't have- we... we'd lost it until you came to Casablanca."
ist dies genau so gemeint wie, er es sagt. Rick mag nicht mit Begeisterung auf ihr wiedersehen reagieren
"Of all the gin joints in all the towns in all the world, she walks into mine."
 aber seine Entscheidung hat nichts mit abstrusen ödipalen Konflikten oder ähnlichem Nonsens zu tun, am Ende hat er einfach sein Trauma des Verlassenwerdens nicht nur überwunden, sondern die Richtigkeit in Ilsas Handeln, die wahre zugrundeliegende Motivation erkannt.
Dadurch erinnert er sich nun auch selbst wieder seiner Liebe für sie, und nicht weil er wie Harmetz andeutet in Casablanca mit ihr Geschlafen hat**.
Deshalb schickt er sie fort ins sichere Amerika, aus dem selben Grund aus dem Ilsa Rick einst unter falschen Vorwänden am Bahnhof von Paris mit einem Brief das Herz brach, damit er den einmarschierenden deutschen Truppen entging; wollte er sich an ihr Rächen, er müsste sie nur in Casablanca lassen.


 Round up the usual suspects ist nicht ohne Fehl, und stellenweise holt die Autorin zu weit aus, versucht zu vieles auf den Film zurückzuführen oder ausgehend vom Film zu verfolgen, als das es noch Bedeutung hätte. Aber ihr Schreibstil lässt sich immer angenehm lesen, und wenn es nicht immer ganz so informiert scheint, bleibt es doch charmant und unterhaltend. Ein Buch das trotz kleinerer Schwächen sich jedem Fan des Films und jedem der sich für das Hollywood jener Tage interessiert nur empfehlen lässt.


Gespielt mit fantastischem Witz und öligem Charme vom unvergleichlichen Claude Rains.
** Vielleicht hat er dies in Paris getan, Viktor zumindest ist im Film offenbar davon überzeugt, aber der Hays Code verhinderte zum Glück das dies je offen ausgesprochen, geschweige denn gezeigt werden hätte können, so das es jedem selbst überlassen bleibt wie sich Ricks und Ilsas Liebesaffäre in Paris gestaltet hat.

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Die Film Editionen:












                 Limited Collector's Edition                                                                                      70th Anniversary Edition

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