Das Flüstern der Stadt, Rosa Ribas & Sabine Hofmann
(Kindler, 2014)
Noch eine Leserunde.
Kurzinhalt:
Barcelona, 1952, die Zeit der Franco-Diktatur: Die junge Journalistin Ana Martí soll die Berichterstattung über den Mord an einer Arztwitwe übernehmen - die Chance, endlich Karriere zu machen. Doch Ana darf nur schreiben, was ihr in die Feder diktiert wird, denn die Polizei hat strikte Anweisung, den Fall so schnell wie möglich zu den Akten zu legen. Dann werden im Besitz der Toten Briefe gefunden - Liebesbriefe eines Unbekannten. Anas Cousine, die Sprachwissenschaftlerin Beatriz, entdeckt darin Hinweise, die zur Lösung des Falls führen könnten. Durch ihre Nachforschungen geraten die Frauen in große Gefahr. Doch Ana und Beatriz wollen die Wahrheit ans Licht bringen, mit den einzigen Waffen, die sie den Mächtigen der Stadt entgegenzusetzen haben: dem Wissen über die Sprache und der Liebe zur Literatur ...
Vorab ein bisschen Kritik:
Die Verlagswerbung für das Buch finde ich ehrlich gesagt unnötig irreführend.
"Ein spannender und atmosphärischer Barcelona-Krimi über die Macht des Wortes: der Überraschungserfolg aus Spanien, für alle Leser von Carlos Ruiz Zafón und Alicia Giménez-Bartlett."Über Alicia Giménez-Bartlett kann ich zugegebenermaßen nichts sagen, hier kann ich nur sagen das vom Lesen der Inhaltbeschreibungen sie in einem ganz anderen Gebiet unterwegs zu sein scheint. Der Vergleich mit Zafón aber, der hinkt für mich gewaltig, und nicht nur weil Zafón aus der Phantastik kommt und Das Flüstern der Stadt ein reiner Kriminalroman ohne übernatürliches Element ist. Ribas und Hofmann kommen sprachlich weit weniger verschnörkelt und verspielt daher, ihr Stil ist direkt, oft sachlich zweckgebunden.
Im Grunde teilen die Autoren sich nur die Lokalität.
Allerdings, lobend erwähnen möchte gleich hernach die Gestaltung des Romans, für die man das wunderbare Covermotiv noch einmal bearbeitet und gegenüber der Originalausgabe noch besser zur Geltung gebracht hat. Für mich eines der schönsten Covers dieses Jahres.
Rosa Ribas & Sabine Hofmann nehmen sich in ihrem Roman Zeit die Bühne zu bereiten für ihre Geschichte. Das Spanien der frühen 50er unter Franco wird heraufbeschworen in einer Atmosphäre die erfüllt ist von Gewalt und Paranoia. Es wird eine Gesellschaft gezeigt die gefangen ist zwischen Polizeiwillkür und katholischer Heuchelei, in einer Zeit in der männlicher Machismo den Lebensalltag bestimmt. Gerade letzteres ist es was Ana antreibt sich in den Mordfall einzumischen.
Barcelona bleibt dabei im Gegensatz zur plastischen Schilderung der 50er Jahre als Schauplatz weitgehend Amorph, nur Barcelonakundige werden wohl in der einen anderen Erwähnung den Ort selbst wiedererkennen können, für uns andere bleibt es eine Stadt unter Tausenden.
Sehr viel mehr Kontur gewinnen die mit viel Liebe gezeichneten, und mit vielerlei kleinen Hintergrundgeschichten eingeführten Hauptcharaktere. Inspektor Castro, ein intelligenter aber auch gewaltbereiter Ermittler, Journalistin Ana Martí, welche nur Polizeiinformationen Pressegerecht aufarbeiten soll sich dann aber immer tiefer hineinziehen lässt in die Ermittlungen, die Literaturprofessorin Beatriz, welche Ana um Hilfe ersucht, und deren redselige Haushaltshilfe Encarni, sowie der kleine Gauner Abel Mendoza.
Nahezu hundert Seiten braucht es, ehe alle Akteure versammelt sind, und selbst dann noch bewegt sich Geschichte nur Gemach vorwärts.
Wer hier auf einen aufregenden Thriller hofft, wird schnell enttäuscht werden.
Nach den in eine dichte, bedrohliche Stimmung gewobenen ersten Kapiteln wird der Tonfall sogar erst einmal überraschend heiter wenn sich Ana und Beatriz begegnen. Man fühlt sich beim Lesen an Donna Leons Krimis erinnert, denn das miteinander der einzelnen Personen steht klar im Zentrum, die Ermittlung des Mörders läuft eher im Hintergrund mit.
Erst im letzten drittel schnellen Spannung und Dramatik dann kurzfristig wieder in die Höhe, pendeln sich aber auch schnell wieder auf das gewohnte Niveau ein und man Steuert auf ein ruhiges, eher unspektakuläres Finale zu.
Das Flüstern der Stadt lebt weitgehend vom Zusammenspiel der einzelnen Charaktere, wobei es insbesondere die drei Frauen sind, Ana, Beatriz und Encarni, die mit ihrem Charme, ihrem Intellekt und ihrem Witz, die Seiten mit Leben erfüllen und einen am Lesen halten. Die Autorinnen zeichnen sie dabei als realistisch fehlerhafte Menschen, weder Ana noch Beatriz sind Heldinnen. Beide sind auf ihre Art erst einmal nur aufgrund ihres beruflichen Ehrgeizes an der Lösung des Falles interessiert und beide sind sie nicht immun gegen die allgegenwärtige Furcht die in Franco Spanien über allem hängt. Für Ana geht es dabei darum sich in einer Männerwelt zu behaupten, Beatriz, welche Spanien sowieso bald den Rückenkehren will, reizt nur die sprachliche Herausforderung und ein wenig menschliche Neugier. Entgegegen der Inhaltsangabe steht die Suche nach der Wahrheit, auch für die beiden bestenfalls an zweiter Stelle. Sie bilden jedoch ein überaus sympathisches, bald schon perfekt aufeinander abgestimmtes Hobbyermittlerduo, in dem Ana die Initiative ist, und Beatriz als der Kopf agiert.
Wem Charaktere wichtiger sind als vordergründige Action, der bekommt hier eine fesselnd erzählte Geschichte geboten. Rückblickend scheint einem vielleicht nicht alles so ganz schlüssig daherzukommen, scheint so manche Wendung etwas zu Konstruiert, zogen die Autorinnen ein wenig zu auffällig ihre Fäden, dem reinen Lesenvergnügen aber tat dies keinen Abbruch.
Wem würde ich diesen Roman nun empfehlen, Rückblickend auf die eingangs erwähnte Verlagswerbung?
Persönlich würde ich das Buch Freunden von Donna Leons Brunetti Romanen nahe legen wollen, ich bin mir sicher sie werden sich auch hier gut Unterhalten fühlen und es muss ja nicht immer Venedig sein, auch Fans von Graham Greenes Der Dritte Mann, denke ich werden mit der Geschichte viel Freude haben.
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