Bernie Wrightson's Frankenstein, Mary W. Shelley (Buch), Bernie Wrightson (Illustration)
(Charles F. Miller, 1994)
Kurzinhalt:
Bei seinem Unterfangen den Nordpol zu Erkunden* nimmt der im Packeis gefangene Kapitän Walton einen ungewöhnlichen Passagier an Bord. An der Grenze seiner Kräfte angelangt verbringt der Gast seine Genesung in der Kajüte des Kapitäns und erzählt ihm schließlich, zur Warnung vor allzu großem Forschungsehrgeiz, seine Geschichte.
Bei dem Geretteten handelt es sich um den aus Genf stammenden Victor Frankenstein, den die Verfolgung einer persönlichen Nemesis bis in die Polregion getrieben hat. Bereits als junger Mann, so erzählt er, war er getrieben von einem unstillbaren Wissensdurst. Schon bald viel sein Interesse auf die historischen Forscher und Philosophen, Agrippa, Paracelcus und Magnus
I read and studied the wild fancies of these writers with delight; they appeared to me treasures known to few besides myself.Der Isoliert aufwachsende Victor verliert sich bald in diesen Werken und zu spät erreicht ihn, nach eigenen Worten, die Warnung das deren Lehren als lange überholt gelten. Die Sehnsucht nach der Erkundung der Natur des Lebens ist geweckt in dem jungen Mann, sein Bestreben gilt dessen Geheimnisse zu erkunden und zu replizieren, Victor träumt von der Schaffung einer neuen, eigenen Rasse, perfekt in Gestalt und Wesen.
Beim Studium in Ingolstadt stößt er bei Dr. Waldman auf die Lehren der Chemie und findet in diesen schließlich den gesuchten Schlüssel zur Verwirklichung seines Projekts. Es gelingt ihm einen von ihm selbst Geschaffenen Körper mit Leben zu erfüllen. Doch seines lebenden Werkes ansichtig, wendet sich der Schöpfer ab von seiner Kreatur und flieht zunächst in den Fieberwahn und dann zurück in die Heimat.
Die von ihm geschaffene Kreatur findet auf sich selbst Gestellt ebenfalls den Weg in die Schweiz wo sich ihre Wege wieder mit denen ihres Schöpfers kreuzen. Durch eine glückliche Fügung der Sprache mächtig und zur Selbsterkenntnis gelangt fordert die Kreatur Frankenstein auf ihr zur Linderung ihrer Einsamkeit eine Partnerin zu erschaffen, oder droht ihm, sollte Frankenstein sich dem Verweigern, ihn und seine Familie Heimzusuchen.
Doch Frankenstein hat nun selbst Vorbehalt gegen eine neue Schöpfung:
Had I right, for my own benefit, to inflict this curse upon everlasting generations? I had before been moved by the sophisms of the being I had created; I had been struck senseless by his fiendish threats; but now, for the first time, the wickedness of my promise burst upon me; I shuddered to think that future ages might curse me as their pest, whose selfishness had not hesitated to buy its own peace at the price, perhaps, of the existence of the whole human race.Letztendlich aber muss Frankenstein erkennen, dass was er in Gang gesetzt hat längst seiner Kontrolle entzogen ist und die Trägödie nun unaufhaltsam ihren Lauf nimmt.
Der Titel des Buches Bernie Wrightson's ist Irreführend, denn Selbstverständlich ist es nach wie vor Mary Shelley's Frankenstein das uns hier vorliegt. Wrightson fertigte allerdings zu Shelleys Klassiker über mehrere Jahre hinweg eine Anzahl von klassischen Holzschnittillustrationen nachempfundene Zeichnungen an, von denen 46 Stück den Weg in dieses Buch gefunden haben (weitere wurden in einem Frankenstein Portfolio nachgedruckt bzw. als Trading Card Set veröffentlicht). Die hohe Papierqualität, man setzte auf einen für Bildbände üblichen kontraststarken Druck der Schrift und Illustrationen perfekt detailliert wiedergibt, sowie die ausgezeichnete Bindung sowohl bei meiner älteren Ausgabe wie der neuen Gebundenen Ausgabe aus dem Dark Horse Verlag, machen aber das Buch, Titel hin oder her, zu einer Zier für den Bücherschrank eines jeden Fans der Autorin sowie des Illustrators.
Frankenstein kann in dieser Präsentation als Roman wie auch als Bildband überzeugen.
Als schmerzlich empfinde ich nur die Entscheidung auf das originale Vorwort der Autorin zu verzichten und statt dessen auf ein Verkaufsträchtigeres Vorwort von Stephen King zu setzen und eine kurze Anmerkung zum Illustrator seitens Ron Marz, selbst ein bekannter Comiczeichner - man merkt der Verleger setzt hier verstärkt darauf auch eine Käuferschicht anzusprechen welche eventuell zuvorderst nichts mit dem Klassiker am Hut hat.
Dies soll jedoch nicht Kings Vorwort abwerten, in welchem sich der Autor in gewohnt eloquentem Plauderton einsichtig über Shelleys Geschichte und deren Rezeption durch ein modernes Publikum äußert. Marz' Vorwort allerdings, welches eigentlich nur ein Schulterklopfen unter Kollegen darstellt, erscheint mir tatsächlich recht überflüssig, da dieser nichts erhellendes über Wrightsons Arbeit zu berichten weiß.
Wer sich weiter von der Qualität der Verarbeitung überzeugen will, findet auf YouTube noch ein Flipthrough Video.
Die Geschichte selbst mag jene die mit Frankenstein nicht vertraut sind oder bisher nur über eine der zahlreichen Verfilmungen kennen zunächst ungewöhnlich, nicht zu sagen zäh anmuten. Shelleys Geschichte ist ein eher ruhig dahinfließendes Drama, gezeichnet von den inneren Konflikten seiner Protagonisten, nämlich Victor und dessen Kreatur welche beide auf ihre Art unter dem unseligen Schöpfungsakt und ihrer eigenen Natur leiden.
Dem modernen Leser wird vielleicht auch Shelleys zeittypischer Stil etwas Eingewöhnung abfordern
The abrupt sides of vast mountains were before me; the icy wall of the glacier overhung me; a few shattered pines were scattered around; and the solemn silence of this glorious presence chamber of imperial Nature was broken only by the brawling waves or the fall of some vast fragment, the thunder sound of the avalanche or the cracking, reverberated along the mountains, of the accumulated ice, which, through the silent working of immutable laws, was ever and anon rent and torn, as if it had been but a plaything in their hands.Detaillierte Landschaftsbeschreibungen und Endlossätze wie dieser gehörten damals zum guten Ton. Auch über die vielen, die Geschichte oft über jede Glaubwürdigkeit hinaus streckenden Zufälle welche diese nicht selten eher nahezu brechen denn vorantreiben, weiß King in seinem Vorwort zu sagen
... the book's creaky plot devices and eye-popping coincidences. Such coincidences were considered perfectly cricket in Mary Shelley's time, but today's writers are rarely allowed such latitudes (and they are latitudes--see if you don't agree after you read the part where the monster opens the bag and discovers, not someone's dirty underwear, not just any books, but the exact books he needs at the time).Ja es knirscht an allen Ecken und Enden - und doch entfaltet Shelley von der ersten Zeile an eine Faszination welche diesen Leser nach wie vor und immer wieder auf das Neue in ihren Bann zu ziehen vermag. Frankenstein das ist eine im Kern zeitlose Auseinandersetzung mit dem ewigen Problem der Wissenschaft, eine intelligent abgefasste Warnung vor unkontrolliertem Wissensdurst, vor einer Forschung die voranschreitend nur nach der Machbarkeit fragt und nicht nach Nutzen noch ethischer Vertretbarkeit.
Ein bisschen Filmtrivia:
Daß in der Universaladaption (James Whale, 1931) aus Victor Frankenstein ein Henry Frankenstein wurde, ist oft und gerne zitiert, auch daß sein Vater durch das Script in den Stand eines Barons erhoben wurde dürfte weithin bekannt sein.
Aber der Namensreigen ging tatsächlich noch ein Stück weiter.
Victors langjähriger Freund, Henry Clerval hat im Film nicht nur den Vornamen mit dem Freund getauscht, er erhielt zudem den Nachnamen einer weiteren Charaktere aus dem Buch, Justine Moritz, welche im Film keinen Auftritt hat, und begegnet uns da nun als Victor Moritz (im Film Moris ausgesprochen).
* Shelley verfasste ihre, im Roman auf das 17. Jahrhundert datierte, Geschichte um 1816, knapp hundert Jahre vor der erfolgreichen Erreichung des Pols, als diese Region noch begehrtes Ziel wissenschaftlicher Forschungsexpeditionen war.
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