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Freitag, 7. März 2014

Teufelsgrinsen







  

Teufelsgrinsen, Annelie Wendeberg
 (KiWi, 2014)


Kurzinhalt:
 Niemand kennt Anna Kronbergs Geheimnis bis Sherlock Holmes sie durchschaut: In einer Zeit, in der nur Männer an Universitäten zugelassen sind, schneidet sich Anna Kronberg die Haare ab, zieht Hosen an und studiert Medizin. Als angesehener Arzt Dr. Anton Kronberg gerät sie in das Zentrum einer monströsen Verschwörung und selbst in tödliche Gefahr, der sie nur mithilfe ihres scharfen Verstandes und dem Beistand von Sherlock Holmes, entkommen kann. London, Ende des 19. Jahrhunderts, eine Stadt, die regelmäßig von Seuchen heimgesucht wird; Zehntausende leben in bitterster Armut. Im Londoner Wasserwerk wird ein Cholera-Opfer entdeckt. Dr. Anton Kronberg, Englands führender Epidemiologe, wird hinzugezogen und findet heraus, dass der Tote absichtlich mit tödlichen Bakterien infiziert wurde. Während Scotland Yard den Fall nur halbherzig verfolgt, begegnet Kronberg dem beratenden Detektiv Sherlock Holmes. Er entdeckt im Handumdrehen Kronbergs Geheimnis und Identität. Im Gegenzug beginnt Anna sehr zu dessen Verdruss Holmes kompliziertes Innenleben zu analysieren. Doch die beiden ungleichen und intellektuell ebenbürtigen Partner müssen sich zusammentun, um eine Verschwörung aufzudecken, die so monströs ist, dass sie die Taten von Jack the Ripper in den Schatten stellt ...
(Quelle: Lovelybooks.de)


 Fans des traditionellen Holmes lässt sich Teufelsgrinsen nur unter Vorbehalt empfehlen. Die Autorin nimmt sich viele Freiheiten mit Doyles Charakter und entfernt sich oft von der Vorlage,  allerdings, das muss man ihr zugute halten, nie so weit wie im Robert Downey jr. Streifen und gar in Steven Spielbergs "Young Sherlock Holmes". Aber Annelies Holmes ist eindeutig Gefühlsbetonter, romantischer, nahbarer als Doyle ihn je schrieb. Das heißt, auch Doyles Holmes war ein Mann der zu Gefühlsausbrüchen neigte, nur eben nie romantischer Natur (Freunde der Geschichte Ein Skandal in Böhmen, in welcher die legendäre Irene Adler auftritt, mögen hier vielleicht geneigt sein zu widersprechen). Doyles Holmes war ein Mann der Wissenschaft, ein Mann des Geistes, ein Mann getrieben von einem absoluten Gerechtigkeitssinn (was Übrigens auch Annelie Wendebergs Holmes erhalten bleibt) - aber Frauen scheinen den großen Detektiv kaltgelassen zu haben.... um noch einmal zum Vergleich mit den Filmen um Holmes zurückzukommen, Annelies Holmes erinnerte mich da eher an den Holmes aus dem recht gelungenen und sehenswerten "Das Privatleben des Sherlock Holmes".

"Es wäre ein außerordentliches Glück, einen Freund zu finden, der das eigene Wesen in seiner gesamten Komplexität erfassen und trotzdem alles daran respektieren könnte."
 An der anderen Hand wiederum Spiegelt der Roman, nach meinem Empfinden, den Charakter von Dr. John Watson sehr gut wider. Dessen Fassungslosigkeit angesichts eines weiblichen Kollegen ist einfach köstlich, und seine Verwunderung über Holmes offenbares Interesse an einer Frau anders als die vorgenannte Irene Adler... zum Schmunzeln.
 Auch Annas kritische Analyse von Dr. Watsons Schreibstil im ersten Fall für Holmes Die Studie in Scharlachrot liest sich nicht nur äußerst amüsant, sondern passt auch sehr gut zu Passagen in denen Doyle seinen Meisterdetektiv ähnlich kritisch mit Autoren ins Gericht gehen lies (vorzugsweise mit E. A. Poe, aber auch schon mal herrlich selbstironisch mit Watson und seiner Darstellung von Sherlock Holmes). Positiv fiel beim Lesen der flüssige Schreibstil der Autorin auf, der in einem Schnell dieses "Nur dieses eine Kapitel noch..." weckt. Dabei gilt jedoch anzumerken das Annelie Wendeberg ihre Geschichte Streng narrativ erzählt, sprich es wird viel "erzählt" und weniger "gezeigt" - aber dies ist ein Stil dessen sich auch weiland Doyle für seine Holmes Geschichten bediente. 

 Schade fand ich es beim Lesen wenn die Autorin immer mal wieder interessante Gedankengänge, zum Teil von feministischer, zum Teil von allgemeiner Natur, einstreute die dann aber nicht so recht weiter verfolgt wurden. So zum Beispiel Annas Feststellung dass Sherlock Holmes sich Verkleiden muss, wenn er nicht wahrgenommen werden will, sie aber sich Verkleiden muss um wahrgenommen zu werden.
 Doch wenn gleich diese kurzen Einschübe kaum verfolgt werden, machten sie die Geschichte, für mich, über die Frage "Wie viel Doyle steck noch in Annelie Wendebergs Holmes?" hinaus beschäftigenswert. Tatsächlich ist es wohl der Natur jener Randbemerkungen zu zuschreiben, dass man sich über die Lektüre hinaus hier weiter Gedanken macht - sprich, hier ist vermutlich tatsächlich das weniger ein mehr.

 Was mich an dem Buch gestört hat, während des Lesens, war ein Rückblick auf Annas Vergangenheit, der zwar ihren Freudschen Blick auf die Taten des Rippers erklärt, aber der Geschichte oder ihrem Charakter, meiner Meinung nach, nichts von Bedeutung hinzu fügte.

*Spoiler*
 Während ihres Studiums in Amerika wird Anna/Anton von neidischen Kommilitonen aufgelauert die dem Streber eine Abreibung verpassen wollen, als diese feststellen das sie es mit einer Frau zu tun haben kommt es zur Vergewaltigung.
*Spoiler*

 Nach Abschluss des Romans wurmt es mich ein wenig das zwar das Was und Wer geklärt wurde, aber das Wie ein Stück weit ein Rätsel bleibt, denn die Obduktion eines zweiten toten, genannt Mr. Big Boots, stellt Anna und ihre Studentenschaft vor ein Mysterium welches auch nach Ende noch eines bleibt. Ich weiß natürlich nicht ob das zweite Buch hier eventuell mehr Klarheit schafft (zumindest deutet der Schlusssatz darauf hin das der Fall zwar gelöst, aber die Geschichte damit noch nicht abgeschlossen ist).
 Das der Verlag auf der Rückseite vollmundig einen "viktorianischen Krimi" verspricht, stört mich im nachhinein, weil ich das Gefühl habe das hier der Leser ein Stück weit getäuscht wird. Nicht jeder Krimi der in viktorianischen Zeiten Spielt, wird dadurch gleich "viktorianisch" - und stilistisch bewegt sich die Autorin bewusst in anderen Gefilden, schreibt für eine moderneres Publikum.
"Man kann absolut gar nichts von Grausamkeiten lernen."
 Dadurch ist Teufelsgrinsen zeitweise auch düsterer als ich von einer Geschichte mit Sherlock Holmes erwartet hätte, gefühlt eher in Richtung Alan Moores From Hell gehend; obwohl, genremäßig würde ich Teufelsgrinsen tatsächlich ein Stück weiter in der Crime Romance verorten.


 Dies gesagt, war Teufelsgrinsen ein Roman den ich zumeist gerne gelesen habe, Ausnahme siehe Spoiler, denn die Geschichte kommt ohne längen daher und bietet, wenn man keinen klassischen Sherlock Holmes erwartet und sich nicht an romantischen Zwischentönen stört, gute Unterhaltung.


Ich möchte an dieser Stelle noch meinen Dank aussprechen an
Lovelybooks.de, für die Leserunde,
Kiepenheuer und Wietsch, für das zur Verfügung stellen des Buches
Annelie Wendeberg, welche an der Leserunde teilnahm und unsere Fragen beantwortet hat, vor allem ihre Erläuterung wie es zu einer der diskutierten Änderungen in der Darstellung von Holmes kam fand ich überaus Interessant.

Als weitergehendes link noch eine GoodReads Diskussion zum Buch, welche um die ewige Frage kreist:
 Was Sherlock Holmes asexual?
 


Anmerkung zum Spoiler:
 Ich bin mir bewusst das ich Autoren dies sehr oft ankreide, zu meiner Verteidigung möchte ich da nur vorbringen dass das jahrelange Lesen von Urban Fantasy, einem Genre in dem jede Heldin unweigerlich Opfer sexualisierter Gewalt war, ist, oder werden wird, in mir einen erheblichen Aber gegen die inflationäre Verwendung dieser Trope genährt hat.

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