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Samstag, 23. März 2013

Zwei an einem Tag









Zwei an einem Tag, David Nicholls
(kein&aber, 2011)

Bedrückender Neorealismus statt romantischer Liebesgeschichte.


Kurzinhalt:
 »Gerade stelle ich mir dich mit 40 vor!« Es ist der 15. Juli 1988, und Emma und Dexter, beide zwanzig, haben sich gerade bei der Abschlussfeier kennengelernt und die Nacht zusammen durchgemacht. Am nächsten Morgen gehen beide ihrer Wege. Wo werden Sie an genau diesem Tag ein Jahr später stehen? Und wo in den zwanzig darauffolgenden Jahren? Werden sich die beiden, die einander niemals vergessen können, weiterhin immer gerade knapp verpassen?

 Zwei an einem Tag war nicht meins.
Nach meinem Empfinden ist es eine furchtbar deprimierende Geschichte zweier furchtbarer Menschen deren Schicksal mir nach etwa hundert Seiten, spätestens aber nachdem Hauptcharaktere Emma beschloss, vielleicht nicht vorsätzlich aber doch wider besseren Wissens, den einzigen anständigen Charakter, zumindest aus ihrer Altersschicht, zu verletzen in dem sie an ihrer Beziehung festhielt, wohlwissend das sie ihn nicht liebt.
Ian mag zwar ein bisweilen nervender Trottel gewesen sein, ist dafür aber, wie sich gerade zum Ende hin erweist (und ich möchte ohne zu Spoilern sagen das er da für den bewegensten Moment im Buch sorgt), aufrichtig in Emma verliebt, gleichwohl es zuerst den Anschein hat ihn triebe, ähnlich oberflächlich wie Hauptcharakter nummero zwo, Dexter, nur die bloße sexuelle Begierde.

 Was mich sogleich zu meinem nächsten, sehr persönlichen, Kritikpunkt bringt:
Nicholls sehr englische Art* über Sex zu schreiben. Für seine Charaktere ist Sex, mehr noch für Dex denn für Em, im best Fall scheinbar ein reines Mittel zur Alltagsflucht, häufiger aber bloße Triebbefriedigung, anstelle eines verlängerten Ausdrucks einer tiefempfundenen emotionalen Verbundenheit.

 Erschwerend gesellt sich hierzu noch die Tatsache dass das Buch stilistisch sehr schlecht geschrieben ist, oder zumindest schlecht strukturiert, man muss es Nicholls nämlich lassen das er einen Roman verfasst hat der sich in den ersten beiden Drittel sehr zügig liest obgleich seiner Schwächen. Stilistisch jedoch ist der Roman chaotisch. Der Autor wechselt willkürlich von Kapitel zu Kapitel zwischen Vergangenheits- und Gegenwartsform.

So lesen wie im Beginn eines Kapitels:
  Emma dreht sich um, tappt zurück zum Bett und legt sich wieder hin. Missmutig lauscht sie dem Landwirtschaftsbericht, hört im Hintergrund die Klospülung, einmal, zweimal, dann ein hupendes Geräusch, als Ian sich schnäuzt, und dann wieder die Klospülung. Schließlich taucht er mit rotem, wehleidigem Gesicht im Türrahmen auf.

Und im Kapitel für das darauf folgende(!) Jahr:
  Emma stöhnte auf, stellte mithilfe des hydraulischen Hebels ihren Schreibtischstuhl niedriger und sank tiefer Richtung Teppich. Jemand klopfte an die Sperrholztür. »Und, wie läufts im Anne-Frank-Verschlag?«


Dabei hat der Roman bisweilen witzige recht Momente und Passagen in denen zwischen Em und Dex tatsächlich so etwas wie Romantik aufkommt:
  Es war ein netter Mund, wie sie sich erinnerte, und wäre sie furchtlos, mutig und asymmetrisch wie diese Naomi-Tussi, würde sie sich jetzt vorbeugen und ihn küssen, und ihr ging auf, dass sie noch nie jemanden geküsst, das heißt, noch nie die Initiative ergriffen hatte. Sie war natürlich schon geküsst worden, plötzlich und viel zu hart von betrunkenen Jungs auf Partys, Küsse, die aus heiterem Himmel kamen wie Kinnhaken. Ian hatte vor drei Wochen
einen Versuch gewagt, als sie gerade die Kühlkammer ausgewischt hatte, und er war so schnell auf sie zugestürzt, dass sie zuerst dachte, er wolle ihr einen Kopfstoß verpassen.

Sogar Dex kann, in Gegenwart von Em, amüsant sein: 
  Sie sah zu Tilly und dem frischgebackenen Ehemann hinüber, die für die Fotografen posierten, Tilly wedelte sich mit einem Fächer kokett Luft zu. »Dummerweise wusste ich nicht, dass die Französische Revolution das Thema ist.« »Die Marie-Antoinette-Sache?«, sagte Dexter. »Na, wenigstens können wir sicher sein, dass es Kuchen gibt.«


Nur hat leider Nicholls Augenscheinlich beschlossen uns die britische Anti-These zu When Harry met Sally... zu bescheren in dem er uns über einen Zeitraum von bald zwanzig Jahren seine beiden Hauptcharaktere immer nur von ihrer schlechtesten Seite zeigt oder zum ungünstigsten Zeitpunkt.
Kurz gesagt: Es wird gelogen, betrogen und fremdgegangen, und das über fünfhundert Seiten lang.

Hätte Nicholls wenigstens die auf den letzten dreißig Seiten eingeflochtenen Ereignisse vom 'ersten Tag', welche das, für das Verständnis der andauernden Freundschaftsbeziehung zwischen Em und Dex, notwendige Fundament legen,  an den Anfang des Buches gesetzt, ich wäre im wohler gesonnen.
Wirklich gefallen hätte es mir aber trotzdem nicht.


Vermutlich ist Zwei an einem Tag gar nicht so schlecht als Roman, wie er sich mir darstellte, er ist nur, für mich, falsch vermarktet. Ich scheue mich davor ihn, wie auf dem Cover vollmundig angepriesen**, als 'Liebesgeschichte' zu betrachten, denn sollte das was Nicholls hier beschreibt Liebe sein, dann möchte ich davon nichts haben.
Wem Neorealismus nicht zu deprimierend ist, der wird, da bin ich mir sicher, bei dieser Geschichte voll auf seine Kosten kommen, Romantiker jedoch sollten es sich zweimal überlegen.

* Bitte akzeptieren sie meine aufrichtige Entschuldigung falls sie Brite sind und sich nicht in diesem Gedankenmuster wiederfinden, aber ich stoße nun mal mit schöner Regelmäßigkeit gerade bei britischen Autoren darauf
** Zitat: "Eine herrliche Liebesgeschichte. Das schönste Buch des Jahres" - Christine Westermann, WDR

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