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Samstag, 27. Mai 2017

Projekt Luna








 Projekt Luna, Algis Budrys
(1965, Heyne)


 In den frühen sechziger Jahren gelingt es den Amerikanern den Sieg im Raumfahrtwettlauf zu erringen, sie landen vor den Russen auf dem Mond. Dort findet sich ein geheimnisvolles, unerklärliches Labyrinth, offenbar das Artefakt einer außerirdischen Zivilisation. Es ist einem Menschen möglich in das Artefakt einzutreten, doch kann er es nicht auf demselben Weg verlassen – nur tote Materie kann in beide Richtungen bewegt werden. Im Inneren bedeutet jede falsche Bewegung den Tod, jeder Schritt, jedes Plus an Information wird mit einem Menschenleben bezahlt - bis man eine Lösung für das scheinbar unlösbare Problem gefunden glaubt.
 Eine Bahnbrechende Erfindung erlaubt es einen Menschen auf der Erde abzutasten und als Information auf den Mond zu senden um ihn dort wiederherzustellen, während er mit einer Kopie seines Körpers auf der Erde verbunden bleibt; doch die Todeserfahrung ist zuviel für den menschlichen Geist, die Testpersonen verlieren den Verstand beim Tod ihrer Kopie.
Darum beschließt man auf einen Todessehnsüchtigen zurückzugreifen...


 Budrys’ Roman habe ich vor rund dreißig Jahren mit Begeisterung verschlungen, die Geschichte wartet mit einem intelligenten Gedankenspiel auf welches SF und Horror nachhaltig beeinflusst haben. Die Idee eines hermetisch abgeriegelten Komplexes, eines mit Fallen gespickten, tödlichen Irrgarten durch den sich die Protagonisten einen Weg kämpfen müssen, ist inzwischen ein beliebter Genre Standard.
 Persönlich wage ich die Vermutung aufzustellen dass Projekt Luna auch den Autoren des Erfolgsfilms The Cube geläufig gewesen ist, und sie zu ihrer eigenen Version der Geschichte inspiriert haben dürfte.

 Leider beginnt und endet hiermit mein Lob für Budrys’ Erzählung auch schon.
Beim erneuten Lesen der Geschichte stehe ich etwas ratlos da, was die Faszination für mein jüngeres Selbst daran ausgemacht haben mag. Dabei ist es keineswegs die aus heutiger Sicht geradezu lächerlich wirkende Technik welche den Roman runiert, das Bild einer Maschine die einen Menschen für einen späteren Abruf  auf Magnetband speichert, muss selbstverständlich Antiquiert wirken.
 Es ist vielmehr dass Budrys zwar diese faszinierende Idee in den Raum wirft, sie für ein paar  Kapitel auch Atmosphärisch ausgestaltet, die Neugier des Lesers darauf weckt was da auf dem Mond steht, uns gerade genug Details über die Tode früherer Versuchspersonen gibt um uns ein angenehmes Gruseln zu bereiten... dann aber jegliches Interesse an einer Fortentwicklung seiner Geschichte verliert und sich nur noch im pseudo-psychologischen Schlagabtausch seiner Charaktere über den „Wert eines Mannes“ ergeht.
 Hundert Seiten Schwanzvergleich später kehrt der Autor zwar noch einmal zurück zu seinem Mondartefakt, aber es scheint ab da nur ein Nachgedanke.

 Der gesamte Inhalt, soweit er sich auf das tatsächliche SF Element bezieht wird vom Autor etwa ab der Hälfte des Romans in zwei Dialogblöcken eingebracht, welche eigentlich alles beleuchten was der Autor hierzu sagen wollte:
 »Hören Sie, Doktor«, sagte Barker und schlug mit der flachen Hand auf den Ordner, »wenn man diesen Berichten glauben will, kann eine bestimmte falsche Bewegung bedeuten, daß ich in meinem Anzug verblute, ohne nachher Anzeichen von Gewaltanwendung aufzuweisen. Mache ich dagegen eine andere, bin ich von der Hüfte ab gelähmt, so daß ich auf dem Bauch weiterkriechen muß. Aber das wiederum scheint dieses Ding zu reizen, denn es zerquetscht mir plötzlich den Schädel, als sei er eine überreife Tomate. Und so geht es fröhlich weiter …
   Wenn ich nicht wie ein Seiltänzer auf jeden Schritt achte und gleichzeitig im richtigen Augenblick am richtigen Ort bin, erreiche ich nicht einmal die Grenze des bisher erforschten Gebiets. Mit anderen Worten — ich habe nicht die geringste Aussicht, dieses Gebilde lebend zu verlassen.«
   Hawks nickte. »Selbst wenn Sie gar nichts tun, sind Sie nach zweihundertzweiunddreißig Sekunden ein toter Mann«, stimmte er dann zu. »Selbst wenn Sie sich nicht von der Stelle rühren, läßt das Gebilde Sie nur so lange am Leben wie Ihren Vorgänger. Diese Zeitspanne wird größer, je weiter Sie vordringen. Wir wissen allerdings nicht, warum es sich durch menschliche Anstrengungen dazu bewegen läßt. Es ist sogar wahrscheinlich, daß das nur eine Zufallserscheinung seines eigentlichen Zweckes ist — wenn es überhaupt einen hat.
   Vielleicht ist es das außerirdische Gegenstück zu einer weggeworfenen Konservendose. Weiß ein Käfer, daß er nur von einer Seite in ihr Inneres gelangen kann, wenn er sie vor sich liegen sieht? Begreift der Käfer, warum es schwieriger ist, an den Wänden entlangzukriechen, anstatt einer geraden Linie zu folgen? Kann man den Käfer als dumm bezeichnen, wenn er annimmt, daß die Menschen die Dose absichtlich an diese Stelle gelegt haben, um ihn zu quälen? Oder kann man sein Verhalten egozentrisch nennen, wenn er sich einbildet, die Dose erfülle nur den Zweck, ihm ein Rätsel aufzugeben?
   Für den Käfer wäre es am besten, wenn er die Dose, so gut er eben kann, auf die für sie geltenden Gesetzmäßigkeiten untersuchen würde. Diese Methode setzt natürlich einige Intelligenz voraus. Aber dafür besteht die Möglichkeit, daß der Käfer nach einiger Zeit sogar herausbekommt, wer die Dose weggeworfen haben könnte.«
 Budrys nimmt hier eine in der SF wiederkehre Frage ins Visier. Wenn wir mit einem uns unbekannten Objekt konfrontiert werden, welches sich unseren Erfahrung komplett entzieht, könnten wir verstehen welchem Zweck es dient?
 Beim wieder lesen der Geschichte drängt sich einem natürlich sofort der Vergleich zum oben erwähnten Film The Cube auf, der das Thema zentraler stellt und sehr viel besser Handhabt, oder zu King’s Auflösung seines Romans Arena.
 Wie gesagt, leider ist dies, bis kurz vor Ende, alles was wir tatsächlich über das Artefakt zu hören bekommen, und auch wenn dieser Abschnitt alles enthält was wir darüber wissen müssen, Enttäuscht es einen als Leser. Bei GoodReads bin ich allerdings auf den Hinweis gestoßen das Budrys Geschichte ursprünglich wohl nur eine Kurzgeschichte war, welche später erst auf Roman Länge erweitert wurde.
Was jedoch der Autor hierfür als Füllstoff in die Geschichte wirft, dass Ärgert nur:
 »Frauen …«, sagte Hawks ernsthaft, »Frauen waren mir immer ein Rätsel. Ich brauchte nicht sehr lange, um herauszubekommen, daß das Leben nicht so ist, wie es in gewissen Büchern dargestellt wird. Nein, da gab es noch etwas anderes — was, weiß ich heute noch nicht, aber jedenfalls hängt es mit Frauen zusammen. Damit meine ich allerdings nicht die rein physische Seite des Problems, sondern eine speziell weibliche Eigenart, die ich nie begreifen konnte.
   Ich konnte nicht begreifen, welchen Zweck diese vernunftbegabten Wesen erfüllten, die neben den Männern existierten. Wenn Frauen nur dazu da waren, um die Fortpflanzung der menschlichen Rasse sicherzustellen, wozu brauchten sie dann Intellekt? Dazu genügen schließlich Instinkte. Dabei besaßen sie diese Instinkte, wozu also die Intelligenz? Ich habe dieses Problem nicht lösen können. Es ist mir immer noch ein Rätsel.«
 Das einzig nennenswerte dass mir zu dieser und ähnlichen Passagen einfällt, ist wie erschreckend sie etwas ähnelt das eine andere Leserin zu Larry Nivens Known Space Universum angemerkt hat, dass er der einzige SF Autor ist, in dessen Werk es gleich drei außerirdische Rassen gibt bei denen die Weibchen über keinerlei Intelligenz verfügen.
In unserem Zeitalter, wäre Hawks, wie auch Nivens Aliens, ein Talibanfreund geworden.


 Ein weiterer, kleiner Kritikpunkt am Ganzen ist eine recht missverständliche Passage im Buch:
 »Salve Caesar, morituri te salutant«, sagte er, als er durch das Tor ging. »Wir erhöhen Ihren Ruhm durch unseren Tod.«
   Hawks runzelte die Stirn. »Ich habe in der Schule auch Latein gehabt«, sagte er. »Stecken Sie sich Ihr Abzeichen an und kommen Sie mit.«
 Für jemanden der mit dem lateinischen Ausspruch „Ave Caesar, die dem Tod geweihten grüßen dich“ nicht vertraut ist, stellt sich Barkers Zusatz wie eine Übersetzung dar, und es bleibt unklar ob Budrys dies mit Absicht tat oder sich selbst der genauen Bedeutung unklar war. Ein Blick in den Originaltext zeigt zumindest dass der Übersetzer den Austausch aus Budrys’ Version korrekt im Deutschen wiedergibt.

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