The Gracekeepers, Kirsty Logan
(
Vintage, 2016)
Dank einer Lovelybooks Leserunde durfte dieses mit Erin Morgensterns
The Night Circus verglichene Buch bei mir einziehen.
Kurzinhalt:
Callanishs Welt ist zweigeteilt.
Die Landbewohner halten fest an einem Leben auf den Inseln welche die stetig schwindende Landmasse der Erde ausmachen und da Land rar geworden ist verbringt der Rest der Menschen das Leben auf See. Die beiden Gesellschaften trennen sich strikt gegeneinander ab, die Landbewohner, Landlockers genannt, betrachten die Bewohner der See, Damplings, mit Argwohn und umgekehrt.
Fasziniert beobachtet die kleine Callanish die Ankunft des Zirkusschiffes Excalibur. Sie überredet ihre Mutter sie zur abendlichen Vorstellung mitzunehmen, doch diese steht unter keinem guten Stern. Die Vorstellung endet in einem blutigen Desaster welches ein Kind zur Waise macht und das Schicksal des Zirkus nachhaltig beeinflussen wird.
Jahre später bringt ein weiteres Unglück die inzwischen erwachsene Callanish wieder mit dem Zirkus zusammen. Diese Begegnung wird das Leben Callanishs sowie erneut das der Artisten in eine neue Bahn lenken. Vor allem für North, das Bären-Mädchen, wird diese Begegnung schicksalshaft, zwischen ihr und Callanish entsteht eine ungeahnte Bindung.
Getrennt durch zwei Welten, die der Landbewohner und die der Seebewohner, ist ihre Zukunft jedoch ungewiss, zumal der Ringmeister des Zirkus für Norths Zukunft bereits feste Pläne geschmiedet hat.
Sehr positiv fällt einem sofort die Covergestaltung ins Auge, welche mehr Bedeutung gewinnt wenn man die Geschichte gelesen hat - nur so viel hierzu vorab, das Bild steht in fester Verbindung zu Callanishs Aufgabe als Gracekeeper, eine Art Seebestatter und Friedhofswärter. Man erkennt dieses Detail auf dem Foto nur unzureichend, aber die Käfige und Sterne sind in einer Farbe wiedergegeben die ganz passend je nach Lichteinfall von weiß bis fast anthrazitfarben wirkt.
Logans Roman wurde als Fantasy angekündigt, persönlich würde ich eher zu einer Kategorisierung im Bereich Dystopie/Frauenroman tendieren. Der Weltenbau ist interessant, erinnerte mich atmosphärisch mit seinem sich zu einer Art Schiffskarawane zusammengeschlossenen, weltumfahrenden Zirkus welcher Insel für Insel anfährt um dort für eine Nacht zu gastieren, und den das Meer bevölkernden Schiffsgiganten des Militärs und der religiösen Revivalists zeitweise an Julie Bertagna's
New Mundo.
Die Geschichte selbst konnte mich im Prolog sehr fesseln, die kleine Callanish deren kaum zu zügelnde kindliche Energie sie mit großen Sprüngen nachhause jagen lässt, das ist ein Moment den man im Herzen behält, ebenso wie das tragische letzte Bild des Abends.
And in the centre of it all she saw two figures: one draped in white, one furred black; both with eyes open moon-round and empty. A small girl and a small bear, hands and paws still linked.
Danach fiel die Geschichte für mich dann leider schnell ab, obgleich Kirsty Logan es durchaus vermag faszinierende, sympathische und auch bedrohlich wirkende Charaktere zu entwerfen, scheint die Geschichte zunächst einfach nur dahin zu Treiben ohne rechtes Ziel im Auge. Zwar erfährt man nach und nach immer mehr über die einzelnen Personen und ihre Motive, der bedrohlich wirkende Red Gold, der Ringmeister, dessen Sohn Ainsel und Gattin Avalon, sowie North das Mädchen mit dem Bären sind dabei die wichtigsten Protagonisten, doch zeichnet sich trotzdem lange Zeit keine Richtung ab.
Die Erzählung wechselt von Kapitel zu Kapitel zwischen einzelnen Blickwinkeln, Norths und Callanishs zum größten Teil, doch dazwischen auch die der restlichen Zirkuscrew. Dies ist Interessant da wir dadurch neue, zum Teil überraschende Einblicke in die Motive der einzelnen Charaktere gewinnen. Andererseits bremst die Autorin damit die Geschichte auch immer wieder aus, zudem verhalten sich die Hauptcharaktere zu lange zu schicksalsergeben passiv, so das die Geschichte bis in das letzte drittel hinein kaum wirklich vorankommt.
Ein Teil dieser wechselnden Blickwinkel ist gefühlt schlicht unnötig, sie bringen die Geschichte nicht voran und auch sonst konnte ich zum Beispiel den Kapiteln der Clowns für mich nichts abgewinnen, so dass man diese meines Erachtens nach aus dem Buch hätte streichen können ohne dabei abgesehen von Seitenzahl etwas einzubüßen.
Das Finale ist zwar wieder mitreißend Geschrieben, doch leidet dieses wie das ganze Buch darunter das die Autorin vieles im dunkeln lässt. Viele der entscheidenden Szenen finden im Aus statt, werden uns nur im Rückblick geschildert oder muss der Leser sich gar komplett selbst zusammenreimen. Auch der dramatische Höhepunkt der Geschichte kann nur bedingt überzeugen - zu schnell und einfach gehen die Charaktere darüber hinweg.
'Thank you kindly, Ms Sand. I am Jarrow Stierling, the captain of the Excalibur.' He moved his arm as if to give the boat a pat, then seemed to think better of it. Callanish found that sensible; a good knock and the whole thing would probably fall apart.
Auch sprachlich konnte Logan mich leider weniger überzeugen. Es gibt sie durchaus, die märchenhaften Momente, die Sätze von poetischer Schönheit, den Augenblick magischer Verbundenheit - doch kann Logan diese sprachlich weniger durchgängig umsetzen wie dies Erin Morgenstern vermag in ihrem oben genannten Werk. Auch Logan bewegt sich zwischen humorvoller Leichtigkeit und getragener Eleganz, aber wirkte dazwischen auf mich dann immer mal wieder unvermittelt flach und umgangssprachlich. Trotzdem muss man der Autorin einen eingängigen, fließenden Stil zugestehen. Gleichwohl nur wenige Charaktere wirkliche tiefe erlangen, Jarrow der Ringmeister sei hier positiv hervorgehoben, stellt sich früh ein Gefühl der familiarität ein welches einem das Lesen leicht macht auch dann wenn die Geschichte auf der Stelle zu Treten scheint.
Andere Leserunden Teilnehmer zogen den Vergleich zu einer TV-Soap - eine nicht unpassende Analogie.
Es hätte der Geschichte gut getan hätte die Autorin sich auf weniger Charaktere konzentriert und schon früher auf ihre Haupthemen zugearbeitet, so kann die Geschichte um Callanish und North nicht wirklich überzeugen und der Handlungsfaden um Callanish und ihre Mutter bleibt bis zum Ende verworren. Zudem wäre meine ganz persönliche Einschätzung positiver ausgefallen wenn die Autorin auf einen Teil der Geschichte verzichtet hätte welcher sich zum Ende nicht nur als unnötig sondern extrem ärgerlich erweist, dazu mehr im Spoilerfeld.
Stilistisch wie Inhaltlich scheint es mir das Kirsty Logan die Fans von Emily St. John Mandel mehr erfassen wird. Aber eine Empfehlung aussprechen könnte ich nicht, auch dies jedoch aus ganz persönlichen Gründen.
***Spoiler***
Der Geschichte beigefügt ist ein Subplot welcher mich während und nach dem Lesen maßlos ärgerte.
Im Roman fürchtet Callanish ausgestoßen zu werden oder schlimmeres sollten die Landbewohner erfahren dass sie Schwimmhäute hat. Dies geht zurück auf einen Abend an dem ihre Mutter, als sie besinnungslos am Strand lag von einem geheimnisvollen Meereswesen geschwängert wurde. Auch North ist schwanger, und auch ihr Kind wurde gezeugt als sie im Alkoholrausch besinnungslos am Strand lag. Mit anderen Worten, beide Frauen werden Vergewaltigt.
Doch die Autorin geht nie näher auf diese Tatsache ein, nennt sie weder beim Namen, noch beschäftigt sie auch nur für einen Moment was dies für die beiden Frauen bedeutet.
Zwar kommt es am Ende zur Erkenntnis das man nur eine Wahl treffen kann, wenn man eine Alternative hat, aber diese Erkenntnis auch auf die Schwangerschaft der beiden Frauen anzuwenden kommt der Autorin nicht in den Sinn - keiner der beiden stand die Wahl für oder gegen ein Kind offen, die Entscheidung wurde ihnen einfach aufgezwungen, und am Ende klingt es noch so als sollten wir diese erzwungenen Schwangerschaften begrüßen.
***Spoiler***
Ich bedanke mich bei
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Vintage
sowie meinen MitleserInnen