Carmilla*, Joseph Sheridan LeFanu
(1872)
Inhalt:
Die Erzählerin der Geschichte, Laura, lebt zusammen mit ihrem Vater in einem abgelegenen Schloss in der Steiermark. Ihr Vater, aus dem Dienst der österreichischen Armee entlassen, erwarb das Gemäuer günstig um sich hier niederzulassen anstatt in die Heimat zurückzukehren. Das Leben dort ist Einsam, einzige Abwechslung bieten gelegentliche Besucher. Einer dieser Besucher, General Spielsdorf, sagt aber zu Lauras großer Enttäuschung unmittelbar vor seiner erwarteten Ankunft seinen Besuch ab, der sich in Trauer befindet; seine Nichte welche in Lauras Alter war, verstarb unerwartet aus ungeklärten Gründen.
Diese Botschaft hat ihr Vater Laura kaum eröffnet, da werden die beiden Zeugen eines Unfalls. Eine Kutsche geht kurz vor ihrem Anwesen durch, die Pferde scheuen nahe der zufahrt und stürzen die Kutsche mit Passagieren.
Bei dem Unfall gibt es keine Verletzten, die Passagiere eine junge Frau und ihre Mutter, bleiben unversehrt. Die Mutter eröffnet Lauras Vater dass sie ihre Tochter, welche durch eine Krankheit bereits angeschlagen ist, aufgrund des Schocks nicht wird weiter Reisen können, sie selbst jedoch aufgrund dringender Angelegenheiten das Land für mehrer Monate verlassen muss, und tut ihre Absicht kund diese ihm nächst gelegenen Dorf unterzubringen. Lauras Vater, auf drängen der Tochter welche sich darauf eingerichtet hatte Zeit mit General Spielsdorfs Nichte verbringen, erbittet indes von der Frau ihre Tochter der Pflege seiner Bediensteten und seiner eigenen Tochter zu überlassen.
Die Frau stimmt dem zu, nimmt Lauras Vater jedoch zur Seite und gibt ihm zu verstehen das ihre Tochter, Carmilla, nicht über ihre Situation oder ihre Krankheit reden kann, und bittet ihn deswegen nicht in sie zu dringen. Als die Kutsche abfährt, nimmt Laura als einzige eine dunkelhäutige Frau als weitere, bisher verborgene, Passagierin wahr welche die Frauen abfällig lächelnd mit Zorn im Blick mustert.
Als Carmilla in ihrem Zimmer erwacht und Laura sie das erste mal richtig zu Gesicht bekommt, kommt ihr die junge Frau vertraut vor und sie fühlt sich sofort zu hin hingezogen, zugleich schreckt die Art in der Carmilla ihr offensichtliche Avancen macht sie ab.
Carmilla erweist sich als aufgeweckte junge Frau, die durch ihre Krankheit jedoch sehr schnell Erschöpft und nur zu kurzen Ausflügen fähig ist. Nach und nach fühlt sich Laura der geheimnisvollen Carmilla immer mehr verbunden, deren Krankheit ihr in Lauras Augen eine gewisse Romantik verleiht.
Wenige Tage nach dem Carmilla im Schloß aufgenommen wurde, scheint es das die geheimnisvolle Krankheit welche bereits die Nichte ereilte nun auch die Gegend um das Schloss von Laura Vater erreicht hat, denn mehrere junge Frauen zeigen kurz vor ihrem Tod ähnlich mysteriöse Symptome. Auch Laura wird zunehmend schwächer, zugleich befallen sie des Nachts Alpträume in denen sie im Bett von einem katzenartigen Wesen angefallen und in die Brust gebissen wird, als sie schreiend erwacht glaubt sie eine Frauengestalt am Fuße ihres Bettes zu erkennen, welche erst still wie eine Statue dasteht und dann den Raum verlässt.
Lauras Vater schickt nach einem Doktor doch Laura erfährt nicht welche Diagnose der Arzt gestellt hat, stattdessen möchte ihr Vater sie mitnehmen zu einem Ausflug zu den Ruinen des verlassenen Gut der Karnsteins, einer einstigen Adelsfamilie mit der Laura mütterlicherseits entfernt verwandt ist. Auf dem Weg treffen sie General Spielsdorf der sie über die wahren Umstände vom Tod seiner Nichte unterrichtet, und Laura erkennt in welcher Gefahr sie schwebt.
Achtung ab hier lauern Spoiler!
Tell me does she want you, infatuate and haunt you...
Dass LeFanus betörende Carmilla schon vor Dracula (1897) ihr Unwesen trieb war mir bereits bekannt bevor ich die Geschichte aufgriff, neu war für mich allerdings dass LeFanu offenbar seinerseits Inspiriert war von dem als unvollendet geltenden Gedicht Christabel (1797) von Samuel Taylor Coleridge, (Coleridge dürfte am bekanntesten sein für sein The Rime of the Ancient Mariner, sowie das stark vom Opiumrausch beeinflusste Kubla Khan). Dracula habe ich vor einigen Jahren gelesen, in einer alten Heyne Übersetzung und fand das Werk furchtbar trocken, weswegen ich um Carmilla immer ein wenig herumgeschlichen bin. Den Leseausschlag gab letztlich eine Gruppe der ich auf GoodReads folge, von dort stammte auch der Hinweis auf Coleridges Gedicht.
Anders als Dracula ist Carmilla nur eine Novelle, etwa ein drittel im Umfang, und vielleicht macht dies den überlegen Charme für mich aus. Die Geschichte ist sehr direkt und flüssig erzählt, schmückt nur wenig unnötiges aus.
Überraschend war für mich der, obwohl zurückgenommene, doch sehr klar gehaltene erotische Unterton der Geschichte welcher jedoch ganz im Dienst der tragischen Romantik zwischen Laura und Carmilla steht.
Etwas verärgernd ist die Namensgebung im Buch ausgefallen, es gibt nicht nur den General Spielsdorf, sondern auch einen Doktor Spielsberg – da hätte etwas Variation Not getan.
Ein Teil der Geschichte, zum Beispiel die Identität von Carmillas Mutter bleibt ungeklärt.
Ist sie ihre Mutter oder nur ein Opfer von Camillas Bann? Willige oder unwillige Helferin? Wir erfahren es nicht.
Aber dass LeFanu nicht alles ausspricht, macht auch einen großteil der Faszination der Geschichte aus. Das gilt nicht nur für die erotische Spannung zwischen Laura und Carmilla, die so trotzdem noch genug Raum für Romantik lässt, der Autor erlaubt uns damit auch viel Freiraum zu eigenen Interpretationen, und die Lesart der gleichgeschlechtlichen Liebe als Vampirismus, als Krankheit ist da zum Glück nur eine davon. Obwohl Carmilla zum Ende hin recht klar als Wiedergänger, als Vampir klassifiziert und dann klassisch hingerichtet wird, die Geschichte erlaubt auch die Lesart einer tragischen Romanze zwischen zwei Frauen. Der General selbst erzählt dass es ihm wohl so schien, als sei auch Mircalla (Carmilla) von seiner Nichte ebenso angetan gewesen wie diese von ihr. Womöglich ist Carmillas Fluch ja echte Liebe zu verspüren, und sie selbst mehr ein tragischer Succubus, verdammt dazu jene die sie liebt zu vernichten, ohne selbst je Ruhe finden zu dürfen.
"Dearest, your little heart is wounded; think me not cruel because I obey the irresistible law of my strength and weakness; if your dear heart is wounded, my wild heart bleeds with yours. In the rapture of my enormous humiliation I live in your warm life, and you shall die--die, sweetly die--into mine."
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* Kein Originalcover.