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Freitag, 22. Januar 2016

Mythology









Mythology, Edith Hamilton
(Signet, 1942)


 Was Edith Hamiltons der Neuzeit angepassterer Blick auf die klassischen Sagengestalten, von zum Beispiel einem Gustav Schwab, aber auch diversen jüngeren, vornehmlich männlichen Betrachtern der großen griechischen Tragödien, unterscheidet, ist ihr weiblicher Blick auf die alles andere als tadellosen Götter und Helden, beziehungsweise ihre präzises heraus arbeiten dessen was die wichtigen weiblichen Charaktere Motiviert.
Hamilton bedient sich wenig Schwarz-Weißmalerei, es wird nicht über die maßen Heroisiert, noch verteufelt, dabei spart sie nicht das charakterlose Verhalten manches Mythencharakters aus, wie zum Beispiel Paris, noch kaschiert sie allzu sehr die, nach modernem Menschenrechtsempfinden, Kriegsverbrechen der griechischen Truppen bei der Belagerung von Troja.

 Überhaupt, sexualisierte Gewalt ausgehend von den "Helden" und Göttern der griechischen Sagenwelt ist ein permanentes Thema, und selbst wenn Göttervater Zeus oder andere helfend einschreiten, endet es für die Frauen nahezu immer böse. Hamilton anerkennt, das ein zentrales Thema der griechischen Tragödie darauf aufbaut das wenn Frauen Gerechtigkeit wollen, sie diese selbst in die Hand nehmen müssen - und selbst dann werden selbst noch zu Opfern, eine Ausnahme ist hier bezeichnender weise Medea, welche sich mit Mitteln rächt die der Willkür der Männer in nichts nachsteht und damit ungeschoren davon kommt.

 Hamilton weißt im Text aber auch auf den sich durch die Jahrhunderte verändernden Blick der Griechen auf ihre eigene Sagenwelt hin, ein Wandel der sich unter anderem an der Einschätzung des Trojanischen Kriegs zeigt, was dem einen Dichter noch ein Heldenepos ist, nimmt der spätere zum Anlass um aufzuzeigen das Krieg nur in Elend, Zerstörung und Unrecht münden kann.
 So erkannte man schon in der Wiege der Zivilisation "Krieg ist immer Gewalt gegen Frauen".
 Überhaupt, die größere Moral der griechischen Sage spiegelt zumeist Wankelmütigkeit und Willkür der Herrschenden, ob sterblicher oder unsterblicher Natur.

 Die alten Griechen hatten offenbar gespaltenes Verhältnis zu ihren Göttern und dies schlägt sich in deren zugeschriebenem Temperament nieder. Es gilt der Grundsatz "Vermeide es die Aufmerksamkeit der Götter auf dich zu lenken."
 Trotzdem werden in schöner Regelmäßigkeit die Götter um Hilfe angefleht, wohlwissend das die Hilfe des einen nicht selten den Unbill eines anderen nach sich ziehen konnte. Im Grunde ist oft gleich ob einem die Götter wohlgesonnen sind oder grollen, ob sie einem zu Hilfe eilen oder zu strafen gedenken, eine Begegnung mit ihnen endet öfter denn nicht Tragisch für sterbliche, und wehe sie haben ein Auge auf einen geworfen...


 Als moderner Leser fällt einem weiteres auf wie sehr die antike Mythenbildung, besonders den zwar mächtigen aber nicht sehr gescheiten Herkules betreffend, der neuzeitlichen, in Herkules Fall besonders sich in beliebten  Internetmemes und diversen Witzen niederschlagenden Mythenbildung um einen Chuck Norris ähnelt,
    Intelligence did not figure largely in anything he did and was often conspicuously absent. Once when he was too hot he pointed an arrow at the sun and threatened to shoot him. Another time when the boat he was in was tossed about by the waves he told the waters that he would punish them if they did not grow calm.
 In einer späteren Geschichte um den Helden stellt er gar dem Tod höchst selbst nach um eine kürzlich verstorbene zu den Lebenden zurückzuholen.
 Wo Odysseus zumeist mit Verschlagenheit und Trug agierend dargestellt wird, ist Herkules eine simple, aufrichtige Figur die nahezu alle Hindernisse mit bloßer Muskelkraft aus dem Weg zu Räumen versteht. Als ein Flussgott ihn mit Worten zu besänftigen sucht entgegnet Herkules ihm:
"Lass uns erst gegeneinander Kämpfen, danach magst du meinetwegen mit Worten gewinnen."


 Hamilton bemüht sich um eine zwar kurz gehaltene aber möglichst präzise Einführung in die wandelnden Mythen, dafür greift sie auf unterschiedliche klassische Schreiber griechischer und römischer Abkunft zurück, zitiert gelegentlich einzelne Passagen, und schafft es damit ihren kurzen Blick auf diese faszinierende Sagenwelt zu einen möglichst umfassenden zu machen.
Mythology empfiehlt sich allen die ihr Wissen auffrischen wollen oder einen sachkundigen Einstieg suchen.


 Lediglich die  Geschichte von Clytemnesta und Agamemnon, wiedergeben unter The House of Atreus im Kapitel Agamemnon and his Children, hat einen kleineren Schluckauf, wenn die Autorin, wohl mit Bezug auf unterschiedliche Quellen widersprüchliche Szenen wiedergibt:
    First he pointed to the girl in the chariot. She was Cassandra, Priam's daughter, he told his wife - the Army's gift to him, the flower of all the captive women. Let Clytemnestra see to her and treat her well. With that he entered the house and the doors closed behind the husband and the wife. They would never open again for the both of them.
 The crowd had gone. Only the old men still waited uneasily before the silent building and the blank doors.
(S. 242)

    A cry rang out, the voice of a man in agony: "God! I am struck! My death blow-" and silence again. The old men, terrified, bewildered, huddled together. That was the King's* voice. What should they do? "Break into the palace? Quick, be quick," they urged each other. "We must know." But there was no need now of any violence. The doors opened and on the threshold stood the Queen*.
(S. 243)
 Heißt es in der ersten, der hier wiedergegebenen Szenen noch "Sie (die Türen) würden sich nicht mehr öffnen, für die beiden." Straft der Schlusssatz der zweiten Szene diese Aussage lügen, wenn es zu lesen steht dass "Die Türen öffneten sich und auf der Schwelle stand die Königin."

 Das Buch teilt sich in mehrere größere Abschnitte in denen zuerst die wichtigsten Götter vorgestellt werden, darauf folgend maßgebliche Heldensagen, und daran im Anschluss die wichtigsten Hauptwerke der Antike, sprich die Suche nach dem goldenen Flies, der Trojanische Krieg, die Odyssey und die Aeneis, dem folgt ein Überblick über die einzelnen Herrscherhäuser, welcher sich meist auf die bekannten Tragödien stützt, und schlussendlich eine alphabetische Übersicht über kürzere, mehr oder minder bekannte Sagen.


 Dem Ende des Buches ist noch eine kurz gehaltene Einführung in die nordische Sagenwelt angehängt, welche aber kaum ins Gewicht fällt, da aufgrund der geringen Seitenzahl die Autorin hier nur ein wenig an der Oberfläche kratzen kann ohne nennenswert Parallelen herausarbeiten zu können und somit lediglich dazu dienlich ist dem Leser zu Veranschaulichen wie sehr sich die darin widergespiegelte Mentalität oft von einander unterscheidet.
Womit diese angehängte Kapitel nur zu dem Schluss führen können das eben eine jede Sagenwelt zu komplex ist um ihr auf nur wenigen Seiten gerecht werden.
 Zwar lesen sich auch diese wenigen Seiten sehr flüssig, stören nicht wirklich, und schüren Neugierde auf die Nordischensagen, trotzdem trübt jedoch ihre Platzierung den sonst durchweg positiven Eindruck.


*Agamemnon und Clytemnestra.

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