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Samstag, 27. Juli 2013

Von den hohen Erwartungen...

...oder warum man auf sein B(a)uchgefühl vertrauen sollte.

Neulich in der Buchhandlung: 
Ich nehme zum x-ten mal Haruki Murakami's 1Q84 aus dem Regal und Blättere darin. Dabei ist das dem Buch beigeheftete Lesezeichen an einer besonders abschreckenden Stelle eingelegt, die mich jedes mal Schaudern und das Buch zurückstellen lässt:
 "Und die Vergewaltigung von kleinen Mädchen, von der du gesprochen hast, wie sicher ist das?"
 "Ziemlich sicher. Aber im gegenwärtigen Stadium lässt sich noch nichts beweisen."
 "Und das geschieht organisiert im Inneren der Sekte?"
 "Auch das weiß ich noch nicht. Aber es gibt tatsächlich ein Opfer. Ich habe das Mädchen kennen gelernt. Ein ziemlich schrecklicher Anblick."
 "Ist sie penetriert worden?"
 "Kein Zweifel."
(s. 513)
 Sexualisierte Gewalt in Romanen ist für mich immer ein guter Grund mir das Werk zu sparen, die Welt ist immerhin düster genug wie sie ist, sexualisierte Gewalt gegen Kinder ist normalerweise ein absolutes No-Go für mich.

Allerdings heist es in dem Buch vollmundig: "Murakami galt dieses Jahr* als einer der Kandidaten für den Nobelpreis. Es ist schade, dass er ihn nicht bekommen hat." (Quelle: Süddeutsche Zeitung), des weiteren klingt die Inhaltsangabe, eine Auftragskillerin findet sich unversehens in einem alternativen Japan in den 80er Jahren wieder, angenehm nach der Art von Geschichte wie sie der SF Autor Philip K. Dick zu ersinnen pflegte. Also, Bauch ignoriert und sich mit einem Beruhigenden "Nicht alle Kritiker haben einen schlechten Buchgeschmack" das Werk geschnappt und vor zur Kasse.
Oy vey!
Ich hatte schon bessere Einfälle...

Auf Seite 54 lässt Murakami uns aus heiterem Himmel an einer Erinnerung seiner Heldin bezüglich eines Sexabenteuers mit ihrer damaligen Freundin teilhaben - na gut, vielleicht spielt das noch eine Rolle, irgendwie (tut es nicht). 
Auf Seite 86 starrt der Zweite Hauptcharakter, Tengo, unverwandt auf die unverhältnismäßig großen Brüste einer Siebzehnjährigen Autorin deren Buch er bearbeiten soll (nein, auch Fukaeris Brüste spielen keine wirklich tragende Rolle, sie sind nur da um von Tengo lüstern angestarrt zu werden).

Auf Seite 111 entspinnt sich folgender Dialog, zwischen Aomane, die inzwischen aufgehört hat an ihre Liebesspiele mit Freundin Tamaki zu denken, und einem Gast in einer Bar (den sie übrigens im Stillen verachtet, dessen Kopfform sie aber erotisch findet):
 "Es ist spät, darf ich Ihnen eine direkte Frage stellen?"
 "Aber bitte doch."
 "Es ist aber, wie soll ich sagen, etwas Persönliches."
 "Gern - wenn ich sie beantworten kann."
 "Haben sie einen großen Schwanz?"

Dieser überaus geistreiche Erguss gipfelt natürlich in einem sexuellen Intermezzo (welches, Überraschung, nichts mit der Geschichte zu tun hat), dessen Klimax dafür aber in Aomanes Lieblingsthema mündet:
 "Bestimmt findest du meinen Busen klein", sagte sie kühl, während sie auf den Mann hinunterschaute. "Kommst du dir blöd vor, weil dein Penis relativ groß ist und meine Brüste so klein sind? Fühlst du dich geprellt?"
(s. 115)

Wir haben also eine Heldin mit einem Busenkomplex (zu klein), ihren Penisneid nicht zu erwähnen, und einen Helden mit einem Busenkomplex (fühlt sich genötigt große Brüste anzustarren), aber dafür ohne Penisneid, Freud hätte an dieser Konstellation seine helle Freude gehabt, und an dem Autor erst... ich hingegen weniger, genau genommen gar nicht.
Sollte es jedoch neuerdings einen Literatur Nobelpreis für unterirdische Dialoge geben, so könnte ich verstehen wofür Murakami nominiert war, mehr noch, ich könnte verstehen wie man es schade finden kann, dass er lediglich nominiert war. Was sonst einen zu einer Nomination bewegen könnte, abgesehen von dem Kritikern ureigenen Zynismus welcher sie immer wieder dazu drängt arglosen Lesern unerträgliche Romane anzutragen, erschließt sich mir an dem Werk nicht.

Das einzig Positive das mir zu 1Q84 spontan einfällt ist die Feststellung dass hiermit wohl der Bodensatz des Jahres erreicht ist und es mit allem nachfolgenden in diesem Lesejahr nur noch aufwärts gehen kann.
Yay?


* Gemeint ist vermutlich das Jahr 2010, in dem das Buch erstmals auf Deutsch erschien.

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